Das größte Problem in der Welt ist Armut in Verbindung mit fehlender Bildung

Der Titel ist ein Zitat von Nelson Mandela. Armut und Bildung gehören aktuell zu den grössten Sorgen der Menschheit. Es ist interessant, die Sorgen der Leute zu studieren. Daraus lassen sich die Werte ablesen, die die Menschen aktuell haben und wofür sie sich einsetzen. Das sagt auch etwas über Trends und Entwicklungen aus.

Interessant ist auch der Vergleich der Sorgen der Schweizer mit denjenigen der übrigen Weltbevölkerung. Die Sorgen der Schweizer sind typischerweise die Sorgen eines reichen, satten Volkes. Krisen, vor allem solche, die mit Geld zu tun haben, stehen weit oben. Sogar die Sorge um die Gesundheit ist eigentlich monetär gefärbt: es geht vielmehr um die hohen Prämien und nicht nur um die physische Gesundheit, die ja eigentlich viel wichtiger wäre. Mit „Armut“ scheint eher die Armut im eigenen Land gemeint zu sein, als die Armut in der Welt. Fremdenangst ist omnipräsent und wird gleich zweimal aufgeführt. Offenbar ist den Schweizern momentan monetäre und soziale Sicherheit sehr wichtig. Ideelle Werte sucht man vergebens.

Bildung würde Armut und Korruption vorbeugen!

Ganz anders sieht es aus, wenn wir die Sorgen der Weltbevölkerung anschauen. Zu den Befragten gehörten sicher auch Schweizer, aber eben auch Angehörige weniger bevorzugter Völker. Hier treten Ängste auf, die vielen Mitteleuropäern kaum in den Sinn kämen, z.B. Menschenrechte, Terrorismus, Krieg. Das zeigt, wie sicher sich die Leute in Europa momentan fühlen, was verhängnisvoll sein könnte. Umweltprobleme und Klimawandel werden weltweit zweimal aufgeführt.

An erster Stelle steht jedoch Korruption! Das ist in der Schweiz kein Thema, obwohl sie im Korruptionswahrnehmungsindex bloss auf der achten Stelle hinter Australien und den Niederlanden steht3. USA, Japan und die grossen Europäer – Deutschland, Grossbritannien und Frankreich – rangieren auf den Plätzen 15 bis 25 mit Barbados, Chile und Uruguay zusammen. Italien kommt sogar hinter Ghana, Samoa und Ruanda auf Platz 68 und Russland ist mit Platz 154 fast an letzter Stelle. Das sind ziemlich beschämende Informationen, wenn man bedenkt, wie wichtig sich diese Staaten auf der Weltbühne geben.

Das erklärt auch, weshalb heute schnell laut gegackert wird, wenn ein Politiker auch nur den Verdacht der Korruption liefert. Interessant, dass jedoch nur die privilegierten Länder derart empfindlich sind. In der Schweiz sind die Fälle Hildenbrand und Zuppiger aktuell, obwohl Korruption auf der Sorgenliste nicht einmal in den hinteren Rängen erscheint. Zwar scheint es durchaus ein Thema zu sein, aber vor lauter Angst, zu verarmen oder zu überfremden, kommt es den Leuten gar nicht in den Sinn.

Sehr zu denken gibt mir, dass Bildung weltweit bloss im Mittelfeld genannt wird, in der Schweiz überhaupt nicht. Warum befürchten die Menschen Korruption und Armut mehr, als fehlende Bildung? Man weiss doch nur zu gut, dass Korruption und Armut die Folge fehlender Bildung ist.

Meine erste Sorge gilt der Tatsache, dass Bildung immer mehr zum Krämergut abgleitet, vor allem begünstigt durch die Bologna-Reform4. Die meisten Probleme auf den Sorgenlisten würden mit besserer Bildung von selbst verschwinden!

1Tagesanzeiger, 12.12.2011. Das sind die grössten Sorgen der Weltbevölkerung

2 Crédit Suisse, 8.12.2011. Sorgenbarometer.

3 Transparency International Deutschland e.V. 25.10.2010. Korruptionswahrnehmungsindex 2010

4 Tagesanzeiger, 31.5.2011: Kann man Forschung wie Spitzensport betreiben?

2 Antworten auf „Das größte Problem in der Welt ist Armut in Verbindung mit fehlender Bildung“

  1. Lieber Peter. Was würde ein Systemiker sagen, wenn jemand vorschlägt: „Mit mehr Bildung können wir alle Probleme einfach lösen.“? Eine scheinbar einfache Lösung für alle Probleme? Nun, wir wissen, dass die Wirklichkeit einiges komplexer ist, als das. Schon nur die Frage, welche Bildung denn jetzt wichtig ist. Ist es naturwissenschaftliche? Soziale? Humanistische? Religiöse? Auch das System Bildung ist ein komplexes. Ist die Bologna Reform so schlecht? Sie hat auch ihre guten Seiten.
    Ich selber arbeite in der Entwicklungszusammenarbeit. Auch dort ist Bildung ein wichtiges Thema. Doch ist es die so genannte ’silver bullet‘? Was heisst es, einen systemischen Ansatz zu verfolgen? Gute Bildung ist meiner Meinung nach nur ein Pferd, auf das wir setzen sollten. Marktwirtschaftliche Entwicklung ein anderes.
    Doch die eigentlich spannendere Frage ist doch, WIE wir zu mehr und besserer Bildung, zu mehr Armutsreduktion durch den Markt kommen. Wie können wir die Systeme in den entsprechenden Ländern beeinflussen, was sind die Dynamiken, die dort Spielen. Was macht es, dass Korruption in der Schweiz kein Thema ist wenn es um Sorgen geht, sie aber auf der politischen Bühne immer wieder ausgeschlachtet wird?
    Ich würde von einem Systemiker eher die Auseinandersetzung mit dieser Frage erwarten als ein Artikel, welcher Bildung als Lösung allen Übels vorschlägt. Dementsprechend bin ich auf deine Antwort gespannt.

  2. Lieber Marcus! Selbstverständlich hast Du recht, wenn Du sagst, dass es kein Allerweltsrezept gibt, und Du sprichst mir aus der Seele. Ich gebe zu, dass vor allem der Schlusssatz zu stark in dieser Richtung formuliert war. Meines Erachtens ist Bildung eine notwendige Voraussetzung, um viele dringende Probleme erfolgreich lösen zu können, aber bestimmt ist Bildung allein nicht hinreichend.

    Du hast auch recht, dass der Begriff „Bildung“ in diesem Zusammenhang zu schwammig ist. Wenn ich darunter eine Ausbildung zur Selbsthilfe meine, dann ist es eine ganz andere Bildung, als wenn es um Bildungspolitik hier in der Schweiz geht.
    In der Tat ordne ich Bildung schlechthin einen hohen Stellenwert zu. Vielleicht ist mir Bildung in meinem Weltbild wichtiger, als Dir in Deinem.

    Deine Fragen sind die richtigen und sehr spannend. Sie können aber nicht in einem einzigen Blogartikel abgehandelt werden. Ich habe anderswo betont, dass ich immer dann einen Blogartikel schreibe, wenn ich mich seit ein paar Tagen gedanklich mit etwas beschäftige. Die beiden Ranglisten haben mich angesprochen und beschäftigt, obwohl sie eigentlich nicht unter das Thema „Komplexitätsmanagement in Projekten und Unternehmen“ fallen. Also habe ich einen – offenbar ungenügend ausformulierten – Artikel geschrieben.

    Ziel war es, auf die beiden Ranglisten und auf den Korruptionswahrnehmungsindex hinzuweisen und zumindest die zwei Fragen aufzuwerfen, warum „Korruption in der Schweiz kein Thema ist …, sie aber auf der politischen Bühne immer wieder ausgeschlachtet wird“ und warum Bildung international Erwähnung findet, nicht aber in der schweizerischen Umfrage. Dabei kam ich bezüglich Bildung etwas ins Schwärmen.

    Was Bologna anbelangt bleibe ich aber bei meiner Aussage. Als Dozent an verschiedenen Fachhochschulen bin ich immer wieder erschreckt, was Bologna in unserer Bildungslandschaft anrichtet. Die Hochschulen verkommen in der Tat zu Krämerläden. Die Hauptsorge der Studis ist es, genügend Punkte zu haben. Sie sammeln sie wie Probons. Was sie lernen ist ihnen immer weniger wichtig, Hauptsache, es bringt Punkte. Die Schulen werden nach Effizienz und Effektivität gemessen. Studenten werden mit Kunden verwechselt. Möglicherweise findest Du das alles gut, aber die akademische Freiheit bleibt auf der Strecke. Ich hoffe doch sehr, dass Du den Artikel von Frau Jauch gelesen hast, den ich zitierte.

    Dein kritischer Kommentar finde ich hilfreich. Er hat mich gezwungen, meine Absichten und Gedanken besser zu verstehen. Vielen Dank.

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