Wieviel muss ein (Projekt-)Manager wissen?

Monika Setzwein führt den bemerkenswerten Blog Open Loops mit knappen aber immer interessanten Beiträgen. Am 15. März schrieb sie über eine wichtige Fähigkeit von Projektleiter und Projektleiterinnen: Politisch zu denken und systemisch zu handeln1. Frau Setzwein schreibt, dass sich politisches Denken voraussetzt zu wissen

  • welche Anspruchsgruppen es gibt und ihre Interessen zu kennen
  • wie sich die Dynamik der Machtmittel der jeweiligen Gruppen auf den Projekterfolg auswirkt
  • welche Abhangigkeits- und Wechselwirkungsverhältnisse bestehen
  • welche formalen und technischen Rahmenbedingungen gelten

Zusätzlich sollte eine Projektleiterin oder ein Projektleiter wissen, wie sich Konflikte entwickeln, wie sie bewältigt werden können und wie soziale Regeln zu gestalten sind. Alles in allem ein umfangreicher Katalog, wenn man bedenkt, dass es sich nur um eine, wenn auch wichtige Fähigkeit von Projektleitern handelt. Aber ich stimme mit Frau Setzwein völlig überein, auch wenn mir scheint, dass ich kaum einen Politiker oder Konzern-CEO kenne, der Anstrengungen macht, über ein solches Fähigkeitenpaket zu verfügen (allein lässt es sich kaum aneignen), und die bedürfen es ja eigentlich noch dringender als jede Projektleiterin oder Projektleiter.
In der Tat hat systemisches und politisches Denken viel Gemeinsames. Was heisst eigentlich „systemisch“? Systemisches Denken bedeutet, systemgerecht zu denken, also die Auswirkungen und vernetzten Wirkungen von Interventionen auf das Gesamtsystem (Projekt) zu kennen oder zumindest in Betracht zu ziehen. Ungefähr so formuliert es auch Frau Setzwein. Sie schlägt vor, mit Systemdiagrammen zu arbeiten, wie ich es in einigen meiner Blogbeiträge machte und in meinem Buch fortsetze2. Politisches denken und systemisches Handeln setz aber m.E. viele Jahre Training und ein breites Wissen voraus. Schon nur das Aufsetzen eines simplem Systemdiagramms will geübt werden. Zusätzlich muss man Kenntnisse

  • der Spieltheorie und der Theorie dynamischer Systeme haben, wenn man den Umgang mit Machtmitteln und die Dynamik der Machtprozesse verstehen will
  • in System Dynamics und Systemarchetypen beitzen, um Abhängigkeits- und Wechselwirkungsverhältnisse analysieren zu können
  • über Pfadabhängigkeit und Entscheiden unter Ungewissheit vorweisen können, um den Einfluss von Entscheidungen auf die Systementwicklung abschätzen zu können
  • von Aspiration Adaption und Kognitionspsychologie pflegen, um zu wissen, wie Stakeholdergruppen ihre Interessen verfolgen
  • von Heuristiken und Intuition sich angeeignet haben und die Ergebnisse der modernen Gehrinforschung verfolgen, um zu wissen, wie wir in komplexen Situationen entscheiden und handeln

und das alles, neben detailliertem technischen und formalem Know-How. Es würde sich für alle Projektmanagerinnen, Unternehmensmanager, Politiker und Entscheidungsträgerinnen auf die Dauer lohnen, sich mit diesen Dingen auseinander zu setzen. Im Magazin des Tagesanzeigers vom 19. März werden Schweizer Persönlichkeiten gefragt, was eine gute Elite sei3. Ulrich Bremi identifiziert ein wichtiges Merkmal einer Elite, als

ein über den eigenen Spezialbereich hinausreichnendes Interesse…[, um] den Gesamtzusammenhang zu verstehen.

Martin Suter bestätigt das, wenn er befürchtet, dass

die Spezialisierung, die Konzentration…auf ein paar wenige Dinge … und weniger Sensibilität für die gesellschaftlichen Folgen ihres Handelns

ein Problem darstelle. Und die Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer Wyss meint sogar, dass

die dringlichste politische Frage … doch sein [müsste]: Wie lösen wir Probleme?

Sicher meint sie nicht, Probleme so zu lösen, dass sie kurzfristig verschwinden, wie das die meisten Politiker und Manager tun (siehe z.B. Personen gesucht, die Geld haben und Gewicht auf langfristige Entwicklungen legen). Hoffentlich meint Frau Bruderer Wyss das nachhaltige Lösen von Problemen. Und das setzt je mehr Kenntnisse voraus, je mehr die Komplexität der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systeme zunimmt.

1Setzwein, M. Politisch denken – systemisch handeln! Open Loops, Blogkategorien Führung, Komplexität, Project Management. 15. März 2010.
2Addor, P. Projektdynamik – Komplexität im Alltag. Reinhold LIebig Verlag. Frauenfeld, 2010.
3Czerwinski, R. Was ist eine gute Elite? Fünfzehn Schweizer Persönlichkeiten geben Antwort. DAS MAGAZIN, No. 10, 19. März 2010.

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