Wann ist ein Projekt ein Projekt?

Eines der besten PM-Blogs ist eben das pm-blog von Stefan Hagen1. Würden wir uns zum Bier treffen, dann würden unsere Diskussionen wohl sehr lang und erst ab einem gewissen Ethanolbestand verlangsamt und unterbrochen werden. Sein neuster Artikel „Wann ist ein Projekt ein Projekt?“ fokussiert meine Aufmerksamkeit auf der Stelle (Danke, Herr Hagen, es ist erst 7 Uhr morgens). Das Thema hatte ich hier ja auch schon, und in Herrn Hagens Terminologie gehöre ich zu denjenigen, die an Projektitis leiden. Aber es tut gar nicht weh. Immerhin möchte ich darauf hinweisen, dass Bauunternehmer, Fensterbauer, Telekommunikations- und IT-Firmen und viele andere mehr ihre Geschäfte als Projekte abwickeln und gar nichts anderes kennen. Für einen Bauunternehmer, der sich auf Einfamilienhäuser (EFH) spezialisiert hat, ist jede einzelne Baustelle ein Projekt und hat einen Projektleiter, auch wenn er schon Tausend EFH gebaut hat und es somit längst Routine geworden ist.
Ich vertrat auch lange Zeit die Meinung, dass Projekte sehr einmalig sein müssten und „man“ pro Jahr ein bis zwei Projekte antrifft. Als ich einmal mit meinem Bruder, der aus der Baubranche kommt, über Projektmanagement diskutierte, sagte er in einem bedauernden Ton: „Aber unsere Projekte sind für Dich ja keine Projekte“. Mittlerweile habe ich begriffen, dass man nie zweimal in den gleichen Fluss steigt. Jede EFH-Baustelle ist nämlich anderes, schon nur aus dem Grunde, weil jeder Bauherr anders tickt und andere Werte hat.
In meiner Weltanschauung gibt es nicht wenig Projekte und viel Routine. In meiner Weltanschauung gibt es so gut wie keine Routine. Stanislaw Jerzy Lec sagte einmal

Manche leben mit einer so erstaunlichen Routine, dass es schwerfällt zu glauben, sie lebten zum ersten mal

Für viele werden sogar erst- und einmalige Dinge so schnell zur Routine, dass sie die andauernde Erstmaligkeit nicht mehr erkennen. Denken Sie an Urlaub! Sind Ihre Urlaubsunternehmen zur Routine geworden? Hoffentlich nicht. Sie möchten am Ende eines jeden Urlaubs sagen können: „Mann, das war ein einmaliger Urlaub“ und das, obwohl Sie schon Dutzende Male Urlaub machten. Und wer schon mal in schlechten Hotels war, nur auf Flughäfen herum gesessen hatte, im Urlaub erkrankt war oder sonstigen Ärger hatte weiss erst recht, dass jeder Urlaub einmalig ist. Daher ist Urlaub für mich ein Projekt. Und für mich macht es bei allem, was ich tue Sinn, dieselbe Überlegungen anzustellen, wie bei einem „richtigen“ Projekt. Deshalb ist für mich alles ein Projekt. Denn neuartig ist es eh. Daher sind die Kriterien an ein Projekt nicht Neuartigkeit und Komplexität, sondern

  • Veränderung und
  • Komplexität

Ein Projekt hat die Aufgabe, etwas zu verändern. Ein EFH verändert die Landschaft, den Umsatz des Bauunternehmers und das Leben des Bauherrns. Alles, was zu einer Veränderung beiträgt (und einen gewissen Komplexitätsgrad hat) ist für mich ein Projekt.
Im zweiten Teil seines Artikels geht Stefan Hagen noch auf die Frage ein, inwiefern sich Projekte standardisieren lassen. Ein höchst interessanter Artikel, mit einer ansprechenden Grafik.

1Hagen, S. Wann ist ein Projekt ein Projekt? 15. März 2010. http://pm-blog.com/

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