Effiziente Steuerung verlangt nach Modellen

Jeder Manager kennt Ashbys Gesetz: Die Varietät des Steuerungssystems muss mindestens ebenso groß sein wie die Varietät der auftretenden Störungen. Oder etwas verständlicher:

Deine Steuerungsmechanismen müssen mindestens ebenso raffiniert sein, wie das System, das gesteuert werden soll!

Sehr oft wird Ashbys Gesetzt so zitiert: Die Komplexität des Steuerungssystems muss mindestens ebenso hoch sein, die die Komplexität desjenigen Systems, das gesteuert werden soll. Diese Aussage ist etwas sehr salopp formuliert und kann so nicht aus dem Satz von Ashby abgeleitet werden.
Das Varietätsgesetz lautet – um es wieder einmal in Erinnerung gerufen zu haben:

wobei R die Anzahl der möglichen Steuerungsmöglichkeiten, K die Anzahl ihrer möglichen Auswirkungen und S die Anzahl der möglichen Störungen in einem System bezeichnen. Nehmen die Störungen zu – z.B. unvorhergesehene Ereignisse in einem Projektsystem – so werden bei gleichbleibender Anzahl Steuerungsmöglichkeiten auch die Konsequenzen der Interventionen zunehmen, auch die Anzahl der schlimmen, ungewollten Konsequenzen!
Ashbys Gesetz ist zwar schon über 40 Jahre alt, seine Aktualität nimmt mit zunehmender Komplexität aber stets zu. Nicht alles, was alt ist, ist auch veraltet. Unix, das als Linux weit verbreitet ist und als modernes Betriebssystem gilt, ist ebenfalls über 40 Jahre alt und der Satz von Pythagoras über das Verhältnis der Seiten in einem rechtwinkligen Dreieck, ist sogar über 2000 Jahre alt und immer noch gültig….

William Ross Ashby hat aber noch ein anderes Gesetzt entdeckt, das lautet:

Every good regulator of a system must be a model of that system1

Unter einem Regulator versteht Ashby einfach das Steuerungssystem, z.B. das Management eines Unternehmens mitsamt seinen Steuerungsinstrumenten. Ashby zeigt, dass es eine Abbildung
h: S –> R
gibt von der Menge der Systemzustände in die Menge der Zustände des Regulators. Das heisst, jedem Systemzustand entspricht ein Regulatorzustand. Somit muss der Regulator ein Modell des Systems umfassen. Gilt das nicht, dann enthält der Regulator unnötige Komplexität.
Es ist also nicht optional, ob das Management von seinem Unternehmen oder der Projektleiter von seinem Projekt ein Modell macht; es ist notwendig, damit überhaupt mit möglichst geringem Grad an Komplexitat Einfluss genommen werden kann!
Modelle sind nicht nur Vereinfachungen „der Realität da draussen“. Modelle sind für Menschen die einzige Möglichkeit, die Realität wahrzunehmen2. Unser Gehirn macht sich laufend ein Modell der Realität. Die Realität und die Wahrheit können wir nie direkt wahrnehmen. Wer also sagt, er brauche keine Modelle, denn diese vereinfachen sein System bloss, der vergisst, dass er höchstens anhand von Modellen sein System steuert. Sehr oft sind die Modelle aber falsch, die uns das Gehirn vorlegt. Daher empfiehlt es sich, zusätzlich etwas formalere Modelle zur Hand zu haben

1Roger C. Conant , W. Ross Ashby, Every good regulator of a system must be a model of that system, Intl. J. Systems Science (1970), p89-97
2P. Addor, Projektdynamik – Komplexität im Alltag. Liebig Verlag, Frauenfeld 2010. S. 52

3 Antworten auf „Effiziente Steuerung verlangt nach Modellen“

  1. Hallo,

    interessante Gedanken. Allerdings ist meine Interpretation eine etwas andere:

    Das zweite von Ihnen zitierte Gesetz heißt ja nicht „Every good regulator of a system must have a model of that system“, sondern „… must be a model of that system“. Es reicht nicht, dass das Management oder die Projektleitung sich ein Model vom System macht, es muss ein Model des Systems sein.

    Was für mich unweigerlich zu dem Schluss führt, dass ab einer gewissen Komplexität nur noch selbst-regulierende Systeme ökonomisch sinnvoll sein können.

  2. Ja, Sie haben recht. Allerdings scheint es, dass man sich unter dem „Regulator“ nicht eine Person oder Personengruppe vorzustellen hat. Der Regulator ist eine Funktion, die durch das Modell wahrgenommen wird. Der Manager, der das Modell HAT, ist bloss Vermittler.

    Ihr konsequenter Schluss, dass ab einer gewissen Komplexität nur noch selbst-regulierende Systeme ökonomisch sinnvoll sein können, gefällt mir. Je nachdem, was Sie unter „ökonomisch sinnvoll“ verstehen, kann dieser Schluss sehr extrem sein. Er könnte bedeuten, dass sehr komplexe Unternehmen besser keinen Vorstand haben… Doch welche Manager und Politiker sind denn schon so weise und sagen: „Diese Organisation überlassen wir jetzt besser sich selbst“?

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