Von Pushkar nach Delhi
Nachdem wir die Reception über unsere Programmänderung informiert und die Konsumationen bezahlt haben, fahren wir weiter nach Jaipur. Heute ist der 17. November. Am 20. November findet in Pushkar jährlich ein Kamelfestival mit 100’000 Teilnehmern statt, für die jeweils eine Zeltstadt aufgebaut wird. DAS wäre ein Besuch wert gewesen! Doch leider wird nirgends gesagt, wo es stattfindet. „Um den See herum“ habe ich irgendwo gelesen. Aber gesehen haben wir am See nichts. Leider habe ich dann vergessen, mich nach dem genauen Ort zu erkunden und den Fahrer anzuweisen, dort vorbei zu fahren, um einen kurzen Stopp einzulegen. Die Reise nach Jaipur ist relativ kurz. Sie dauert kaum 3 Stunden. Da wäre ein Zwischenhalt ohne weiteres möglich gewesen. Aber wahrscheinlich hat uns Pushkar derart nicht gefallen, dass wir möglichst schnell weg wollten.
Tag 15: Jaipur
Wir bitten den Fahrer, in Jaipur zuerst den Bahmashah Techno Hub anzufahren und dort eine knappe Stunde auf uns zu warten, bevor wir dann ins Hotel fahren. Der Techno Hub ist eine vom indischen Government initiierte Einrichtung zur Förderung von Start-ups. Ich denke, es ist etwas ähnliches, wie der Technopark in Zürich. Ich habe gelesen, dass es dort eine Art Museum gibt. Das wollen wir uns anschauen. Der Pförtner weiss nichts von einem Museum. Zum Glück gehen immer Leute ein und aus, die dort arbeiten. Einer von ihnen weiss genau, was wir suchen und führt uns hinein. An der Reception müssen wir auf unserem Mobile Phone ein online Formular ausfüllen und erhalten einen QR-Code, mit dem wir eintreten dürfen. Aber einer der Receptionisten begleitet uns gleich zum Aufzug, drückt die passende Etage und fährt mit uns hoch. Dort eröffnet sich uns ein zweistöckiger Demoraum mit allerlei Geräten, vor allem für Virtual Reality. Wir können z.B. in einer Art Kinosaal eine 3D-Brille aufsetzen und dann durch eine virtuelle Landschaft fliegen, wobei sich die Sessel, auf denen wir sitzen, entsprechend bewegen. Bei einem anderen Gerät müssen wir eine VR-Brille anziehen und befinden uns auf einer riesengrossen Schaukel, die uns vielleicht in 100 Meter Höhe bringt, um dann in der Gegenrichtung hinunter zu stürzen. Das ist vielleicht gräuslich! Aber sobald ich die Augen schliesse, hört der Kick auf. Die Typen, die uns alle diese Geräte zeigen und erklären, freuen sich offensichtlich, dass wieder einmal ste kommen. Es ist halt kein Taj Mahal, sondern für einmal eine Sehenswürdigkeit, die kein Guide kennt.
Nach schätzungsweise einer Dreiviertelstunde sitzen wir wieder in unserem Auto mit dem Gefühl, etwas Spezielles erlebt zu haben. Und weiter gehts zu unserem Hotel. Der Fahrer findet den Weg auf Anhieb, als wäre er hier zuhause.
Heute früh mussten wir bereits um 9 Uhr auf der Matte stehen. Es erwartet uns wieder ein Guide. Er lässt uns von unserem Fahrer zum Amber Fort fahren, einer Hochburg des Tourismus. Ein paar Dutzend Elefanten stehen unten bereit, müde Touristen hochzutragen, oben im Innenhof des Forts eine Runde zu drehen und dann wieder hinunter zu trotten. Unser Guide schleppt uns durch die dichte Touristenmasse und zeigt uns eine Säulenhalle, einen Hamam und ein mosaikbelegtes riesiges Tor. Wir wollen aber nicht hinein gehen. Es hat uns zu viele Leute. Auch gibt das im Schatten liegende Tor kein gutes Fotomotiv ab. Ich bin wieder an einem Taubenschwarm interessiert, der hinter zwei Türmchen ein paar Runden fliegt. Jetzt müssen wir unser Auto suchen. Es hat gefühlt tausende von Autos hier, die kommen und gehen und bilden einen Klüngel, dass an ein Fortkommen nicht zu denken ist. Und was das immer zu hupen gibt! Endlich gehts weiter, wieder in die Stadt zurück. Unterwegs will der Guide uns unbedingt ein Wasserschloss zeigen. Es wäre gewiss schön anzuschauen, wenn es nicht gegen die Sonne und völlig im Dunst stehen würde. In der Stadt steigen wir beim Windpalast (Hawa Mahal) aus. Ein Windschloss ist gewiss so etwas wie ein Luftschloss. Eigentlich verstand ich bisher unter einem „Luftschloss“ etwas ganz anderes. Aber schön, gibts auch Luftschlösser, die nicht platzen können. Ohne Guide würden wir jetzt in das Roof Top Café gegenüber des Palastes gehen, denn von dort aus muss der Ausblick auf die Schlossfassade überwältigend sein. Aber der Guide will weiter! Wir schlendern über einen Basar und werden bei jedem Stand bedrängt, etwas zu kaufen. Ungefähr um 12 Uhr mittags dürfen wir wieder zum Hotel zurück, aber nicht, bevor der Guide sich mit uns für den folgenden Tag verabreden kann.
Tag 16: Jaipur
Jaipur ist wegen seiner vorherrschenden Farbe auch Pink City genannt. Ich würde es eher lachsfarben oder terracottafarben bezeichnen. Die Farbe bekam die Stadt erst 1876, in Vorbereitung des Staatbesuchs des britischen Kronprinzen Albert Eduard. Rosa sei die Farbe der Gastfreundlichkeit, meinten die Einwohner von Jaipur. Die Hauptstadt von Rajasthan wurde erst im 18. Jahrhundert gegründet und hat heute mehr als 3 Millionen Einwohnern. Sie macht aber eher einen dörfischen Eindruck. Auch hier liegt überall Müll herum, wenn auch etwas weniger, als in anderen Städten. Nur, was macht das aus? Der Unterschied ist marginal. Ein anderes Problem ist die Bettelei. Niemand müsste betteln. Tempel bieten täglich freies Essen für Hunderttausende an, die Schule und eine gewisse gesundheitliche Grundversorgung sind kostenlos. Dennoch schicken viele ihre Kinder eben nicht in die Schule, sondern auf die Strasse, um zu betteln. Was wollen sie mit dem Geld? Nahrung kaufen? Das kriegen sie im Tempel umsonst. Dass das erbettelte Geld wohl kaum je für ein Auto reicht, sollte ihnen ja auch klar sein. Die Kinder werden zum Teil noch speziell „verkleidet“, natürlich in Lumpen und mit rotgepunkteten Verbänden, um Blut vorzutäuschen. Als wären es Schauspieler, die vor dem Auftritt in die Maske müssten. Ich kann mir nur vorstellen, dass es sich um Gangs handelt, die organisiert Geld beschaffen. Das kriegt dann der Obergangster, während die arbeitenden Gangmitglieder leer ausgehen.
Der Guide empfängt uns um 09.15 Uhr. Er führt uns zunächst in das Schloss des Maharadschas, dem König. Der aktuelle ist 26 Jahre alt und hat nur noch Repräsentationsfunktionen. Im Schloss müssen wir die Kleider und Waffen der vergangenen Maharadschas anschauen. Das interessiert mich jetzt gerade sehr wenig. Etwas Auflockerung bringen Anekdoten, wie die Masse eines Maharadschas aus vergangener Zeit. Er war offenbar um 2 Meter gross und schrecklich dick. Der Ausstellungskasten seiner Hose beansprucht eine ganze Wand des Ausstellungsraumes und sein Rock eine andere. An einer dritten Wand sind die Kleider der übrigen Maharadschas.
Spannend ist hingegen die Architektur des Schlosses: Türmchen, Erker, Nischen, Ornamentik. Ganz im Stil eines Märchenschlosses. Und überall sitzen tausende von gutgenährten Tauben. Wenn sie hungrig sind, fliegen sie auf einen Platz an dessen Ränder es Stände gibt, die Taubenfutter verkaufen. Und offenbar gibt es genügend Menschen, die Futter für die armen Tauben kaufen. In Europa ist so etwas längst verboten.
Vor den Toren des Schlosses befindet sich ein Observatorium aus dem 18. Jahrhundert. Es beherbergt 14 Gebäude, die der Bestimmung astronomischer Grössen dienen. Eines der Gebäude ist der Welt grösste Sonnenuhr, mit der man die Zeit auf 2 Sekunden genau ablesen kann! Daher ist dieses Gebäude 27 Meter hoch! Die Funktionen sind heute nur für Menschen interessant, die sich mit archäologischer Astronomie befassen. Uns interessiert vielmehr die Architektur und ihre speziell konvexe Geometrie. Der Observatorium-Guide – unser Guide hat ihm seinen Job temporär übergeben – erklärt jedes Gebäude sehr eloquent und baut in seinen Redeschwall auch immer wieder Kontrollfragen ein. Irgendeinmal muss er sich jedoch frustriert setzen und lässt uns endlich alleine herumlaufen, so schwierig war ich offenbar für ihn.
Nach dieser Erfahrung teilt uns unser Guide schon um ca. 11 Uhr mit, dass er uns alles gezeigt habe, was es zu sehen gebe. Wir erklären ihm, dass wir noch eine Stunde durch die Stadt laufen möchten und es vorziehen würden, wenn er uns begleiten könnte. Wir denken dabei nicht so sehr daran, von ihm interessante Dinge zu erfahren – der chaotische Strassenlärm ist eh so laut, dass ich nichts verstehen würde, schon gar nicht auf Englisch – sondern, um jemand dabei zu haben, der uns Bettler und Krämer vom Hals halten und schliesslich den Driver zu unserem Standort rufen kann.
Ich liebe es, entlang von Strassen zu spazieren, durch die chaotischer Verkehr fliesst oder eben nicht fliesst, wo ein Getöses, Gehupe und Geschrei herrscht. Oder wie soll ich das nennen? „Geschäftliches Treiben“ ja wohl kaum, denn nur ein kleiner Prozentsatz des Durcheinanders ist wirkliches Geschäft. Es ist eher ein gegenseitiges Hochschaukeln von Wichtigtuerei und Auf-sich-Aufmerksam-machen. Aber das entspricht eben der lokalen Kultur oder Stadtleben und das beobachte ich immer mit Interesse. Das ist nicht jedermanns Sache. Jedenfalls sind mir keine Touristen in diesem Verkehrsgetümmel aufgefallen, auch nicht in den vielen farbigen Tuktuks, die das Strassenbild dominieren. Meistens sind auf den vier Sitzen sechs oder acht in sehr bunten Tücher gewandte Ladies mit zwei oder drei Kinder. Ein wirklicher Augenschmaus sind alle die Farben in den Strassen: hauptsächlich rosa, orange, rote und violette Saris in gelben oder grünen Tuktuks, die an Ständen mit farbigen Früchten vorbeifahren und alles, vor der terracottafarbenen Kulisse! Einfach wunderbar!
Etwas fällt mir bei diesen Strassenwalks auf: es gibt in Nord-Indien offenbar kaum so etwas, wie Supermärkte oder Departemental Stores. Damit meine ich Läden, die frisches Obst und Gemüse sowie Fleisch ebenso im Sortiment führen, wie Konserven, Milchprodukte und Haushaltartikel. Wir hatten schon in Delhi Mühe, so etwas zu finden und wenn, waren es Shops, die eng und klein sind und an prominenter Lage eher unnütze Dinge anbieten. Ein begrenztes Angebot an brauchbarer Ware finden wir eher in den hinteren Regalen. Wenn Supermärkte schon in Delhi rar sind, dann wundert es mich nicht, dass mir in den Städten Rajasthans keine auffallen. Z.B. suchen wir Papiertaschentücher, um mit unserem Katarrh umzugehen. Da wir keinen Departemental Store finden, versuchen wir es in sogenannten Medical Stores. Den Namen „Apotheke“ haben sie nicht verdient. In jedem zweiten finden die Krämer, die den Store betreiben, eher zufällig ein Packen Papiertaschentücher, die jedoch so dünn sind, dass man gleich ein halbes Päckchen auf einmal verschneuzt. In Sri Lanka präsentiert sich die Situation ganz anders. Da gibt es moderne und geräumige Apotheken und Drogerien, die den Namen verdienen und die Superstores sind auch mit denen in Mitteleuropa vergleichbar. In ganz Sri Lanka gibt es mindestens Cargill’s Foodcities und Keells Supermarkets. Und diese sind recht gut bestückt. Das grenzt schon fast an westlichen Standard!
Tag 17: Jaipur – Agra
Heute fahren wir weiter nach Agra, wo das berühmte Taj Mahal steht. Unterwegs werden wir zwei weitere Sehenswürdigkeiten kreuzen, den Chand Baori Stufenbrunnen und der Königspalast in Fathepur Sikri. Beim Stufenbrunnen nimmt uns gleich ein Guide in Empfang. Wir glauben, dass er von der Agentur ist und auf uns gewartet hat. Bald entpuppt er sich als „wild“. Der Brunnen ist 20 Meter tief. 3500 Stufen, in unzähligen gegenläufigen Treppchen angeordnet, führen über 13 Stockwerke hinunter. Dort unten ist es fünf bis sechs Grad kühler, weshalb dort auch die Gemeindeversammlungen stattfanden. Das Bauwerk ist der hinduistischen Göttin Harshat Mata gewidmet, der Göttin für Spass und Freude. Das ist mir schon nur deswegen sympathisch! Leider ist der Brunnen nicht zugänglich. Ich hoffte so sehr, auf den Treppen ein paar bunt gekleidete Frauen fotografieren zu können, die einen Wasserkrug auf dem Haupt balancieren. Nun, so muss ich wahrscheinlich durch Nachbearbeitung eine entsprechende Person in das Bild der leeren Treppen setzen.
Weiter geht’s auf der Schnellstrasse, auf der es nach wie vor Geisterfahrer und trottende Kühe gibt, nach Fathepur Sikri. Ab und zu durchfahren wir ein Toll Gate oder Toll Bazar, wie die Mautzahlstellen hier heissen. Der Wagen hat an der Windschutzscheibe einen Aufkleber, ähnlich wie in der Schweiz die Autobahnvignette. Der Aufkleber wird fotografiert, bevor sich die Barriere zur Weiterfahrt öffnet. Ich glaube nicht, dass der Aufkleber eine RFID enthält, die mit einem Scanner geschossen wird.
In Fathepur Sikri wartet nun ein Guide, der uns zugeordnet ist. Ausgerechnet hier. Diese Paläste lokaler Fürsten – mal heissen sie Maharadschas, mal Grossmoguls – interessieren mich bloss als interessante Architektur für entsprechende Fotos, wenn denn die Sonne stimmt. Immer wieder wollen mir die Guides interessante Motive aufschwatzen, Motive, die im Schatten liegen oder so hoch sind, dass einem die Fassade buchstäblich auf den Kopf zu fallen scheint. Wir müssen uns unzählige Geschichten des x-ten „Rulers“ und seinen Söhnen oder Frauen anhören. Die Guides bezeichnen die Fürsten als „Ruler“. Ich übersetze das mit „Gesetzgeber“ und allenfalls „Richter“, also „Machthaber“. Der und der hat dieses und jenes Gebäude gebaut, das dann vom Sohn ausgebaut und ergänzt wurde, usw. Als lokaler Guide würde ich vermutlich auch solche Geschichten erzählen, aber tatsächlich sind sie Touristen nicht bekömmlich. Sogar für den Tratsch europäischer Fürstenfamilien kann ich mich nur in Ausnahmefällen begeistern.
Wir kommen erst um 17 Uhr in Agra an, das schon nicht mehr im Bundestaat Rajasthan liegt, sondern in Uttar Pradesh. Der Fahrer lädt uns vor einem Hotelkasten aus. Morgen müssen wir um 05:45 Uhr wieder davor stehen, um den Sonnenaufgang vom Taj Mahal aus zu sehen. Der Guide hat uns bereits vorgewarnt, dass neben Fotoapparat und Handy nichts mitgenommen werden darf.
Tag 18: Agra
Um 05:15 stehe ich auf. Meine täglichen physiotherapeutischen Übungen werde ich erst nach unserer Rückkehr vom Taj Mahal machen. Ein paar Gleichgewichtsübungen und der Kopfstand müssen vorläufig genügen. Um 05:45 stehen wir in der Lobby „auf der Matte“. Schon kommt der Guide und begrüsst uns. Wenn der wüsste, wie schwierig ich bin. Barbara entschuldigt mich gleich mit der Bemerkung, dass ich etwas schwer höre. Der Guide ruft ein Tuktuk, das uns zum Taj Mahal bringt. Diese Tuktuks hier sind schon komfortabel! Sie haben vier Sitze, nicht nur zwei, wie in Sri Lanka. Und die Fahrerbank ist so breit, wie das Fahrzeug selbst. So kann neben dem Fahrer noch eine zweite Person vorne Platz nehmen. Beim Eintritt erweist sich der Guide als nützlich. Er hat die Tickets bereits online erworben und stellt uns in die Ausländerschlange, die etwas weniger lang ist, als die indische. Er organisiert uns auch Wasser und blaue Schuhüberzieher, wie sie die Forensiker jeweils am Tatort tragen. Wir stehen um 05:50 schon in der Schlange. Der Guide sagt uns, dass das Gate um 06:13 Uhr öffnet (eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang). Also werden wir 23 Minuten warten müssen. Das ist zwar ganz entgegen unseren Gepflogenheiten, aber wenn wir schon mal da sind…! In Florenz dachten wir keine Sekunde daran, uns in die 100 Meter lange Schlange einzureihen, um den David zu sehen. Aber da dachten wir halt auch, dass Florenz jederzeit erreichbar ist, während wir vermutlich nie mehr nach Agra kommen werden/wollen. Jetzt, wo das Gate öffnet, gehts zügig voran. Mein Bauchtäschchen, das ich mit Portemonnaie und Pass im Hotel liess, wäre locker durchgegangen.
Zunächst kommen wir zu einem grossen Gebäude, das sich lediglich als Zugangstor zum Taj Mahal herausstellt, aber alleine schon überwältigend ist. Das Taj Mahal steht um Zwanzignachsechs noch geisterhaft im frühmorgendlichen Nebel (der auch nach Sonnenaufgang nicht verschwindet und sich als den üblichen Smog herausstellt; der Luftqualitätsindex beträgt hier in Agra zur Zeit ungesunde 170 Punkte). Der Guide führt uns stolz durch die Innenräume und macht auf die kunstvollen Intarsien aufmerksam, die im weissen Marmor eingelegt sind. Er verliert auch viele Worte zu den zwei Särgen, so dass ich befürchte, den Sonnenaufgang zu verpassen, der mir im Zusammenhang mit der exotischen Architektur wichtiger ist, als der Sarg eines selbstherrlichen Grossmuftis. Natürlich ist die Architektur des Taj Mahals überwältigend und zweifellos ästhetisch. Aber ich finde es immer etwas dekadent, Gräber zu besichtigen. Ich gehe auch ganz selten auf Friedhöfe. Wenn dazu einer noch für sich und seine Frau ein solches Grabmal bauen lässt, zeugt das m.E. für eine krankhaft übersteigerte Selbsteinschätzung und Selbstverliebtheit. Auch die Tatsache, dass es eines der sieben Weltwunder der Neuzeit ist, verliert durch die Nähe der Stiftung „New Open World Foundation“ zur Tourismusindustrie an Bedeutung.
Nach der Besichtigung des Grabmals geht es zurück ins Hotel, wo wir frühstücken und uns retablieren. Um 11.30 Uhr erwartet uns der Guide schon wieder und führt uns zum Roten Schloss in Agra. Am eindrücklichsten finde ich eine Fledermaus, die in einem Torbogen dösend aus einer Mauerritze hängt. Der Guide wagt nicht, durch den Torbogen zu gehen, während ich naiverweise aus verschieden Perspektiven drei Fotos mache. Man weiss ja, dass Fledermäuse zu den Übertragern der schlimmsten Viruskrankheiten gehören, noch vor Steckmücken und Tauben.
Tag 19: Agra – Delhi
Heute gehts mit einer Autofahrt über 3,5 Stunden zurück nach Delhi. Die Autobahn in die Hauptstadt ist sehr breit, sehr schön und es hat kaum Verkehr, aber nach wie vor Fussgänger und Fahrradfahrer, die erst noch in der falschen Richtung fahren. Nun ja, einfach wie gehabt. Am Stadtrand von Delhi mussten wir Eintrittsgeld bezahlen. Das ist uns auch in Pushkar aufgefallen, aber wir dachten, Pushkar sei halt eine Provinzstadt.
Unser Driver ist uns fast ein wenig ans Herz gewachsen. Er hat uns am Morgen jeweils wie aus dem Ei gepellt erwartet. Der Wagen war stets sehr sauber und die Fenster immer glasklar. Er konnte gut Navigieren und hat offensichtlich die Streckenführung am Vortag studiert. In den diversen Städten schien er sich auszukennen. Neben den Gästesitzen hatte es immer eine Reihe kleiner Wasserflaschen, eine Büchse Coca-Cola und eine Büchse Sprite sowie eine Box mit Candies, die er einmal sogar mit meiner Lieblingssorte nachfüllte. Während der Fahrt sprach der Driver wenig. Er fuhr zügig, aber stets vor- und umsichtig. Würde ich wieder einmal nach Nordindien kommen, was unwahrscheinlich ist, möchte ich unbedingt wieder diesen Driver!
Die abenteuerliche Reise war für mich sehr eindrücklich. Wir haben viel gesehen, gelernt und gestaunt und ich habe hunderte von Fotoaufnahmen gemacht. Aber jetzt freue ich mich, wieder „nach hause“ in Sri Lanka zu gehen, wo wir bis anfangs April bleiben werden. Sri Lanka ist – weiss Gott – auch ein Entwicklungsland. Aber nachdem ich nun fast einen Monat Delhi und Rajasthan bereist habe, erscheint mir Sri Lanka geradezu als aufgeschlossen und sauber. Selbstverständlich ist es für einen kleinen Inselstaat wie Sri Lanka einfacher, Schritt zu halten, als für einen Riesenstaat wie Indien, der meines Erachtens überhaupt nicht „führbar“ ist.
Beim Lesen deiner mitreissenden Reiseberichten fühlte ich mich ein bisschen mit dabei zu sein. Herzlichen Dank und gutes Einleben in eurem Winterquartier- ein wahres Paradies nach dem Dunst und Schmutz 😊. Liebe Grüsse Karin
Das freut mich, liebe Karin! Wir haben Eure Fotos und Beschreibungen von der Südamerikareise auch sehr interessiert verfolgt. Nun wünschen wir euch schöne Festtage und einen guten Rutsch. Herzliche Grüsse, Barbara und Peter