Die zwei Arten schwarzer Projektschwäne

Nassim Nicholas Taleb spricht von Schwarzen Schwänen1, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert und zeigt auf, dass das viel häufiger vorkommt, als wir denken. Allerdings blenden wir diese Tatsache gerne aus. Das hat mit bekannten wissensbasierten Fehlern unseres Denkapparats zu tun – Selektivität, Hang zur Bestätigung und übermässiges Vertrauen –, die Taleb offen legt. In Migrations- und …

Wir können Ungewissheit nicht einschätzen, Mr. Goldratt!

Goldratts Theory of Constraints ist durchaus faszinierend und vielversprechend. Aber sie ist halt eben eine regelbasierende Theorie, während es mein Credo ist, dass die heutige Komplexität wissensbasiertes Vorgehen erfordert (siehe Reasons Handlungs- und Denkmodell). Regelbasiertes Vorgehen genügt nicht mehr, um die Stabilität derart komplexer Systemen sicherzustellen, wie wir sie bis zum heutigen Tag in Gesellschaft, …

Das Alte war gut. Die Entwickler des Neuen haben keine Ahnung!

In seinem Buch Die Kritische Kette sinniert Eliyahu Goldratt auf der Basis der Theory of Constraints über die Wahrscheinlichkeit nach, mit der ein Task, eine Phase oder ein ganzes Projekt nach einer bestimmten Zeit terminiert wird1. Er macht dabei den Vergleich zu dem Nachhauseweg nach der Arbeit. Unter 20 Minuten können Sie nicht zu hause …

Wo ist denn nun die Katze hingekommen?

In Wie man Kosten, Zeit und Ärger spart habe ich einige typische Denk- und Handlungsfallen aufgezählt, wie sie im Unternehmens- und Projektmanagement häufig auftauchen. Einer nennt sich Rückschaufehler und führt schnell zu der Illusion, die Kontrolle über das Geschehen zu besitzen. Wenn wir nach gehabtem Schaden die Ereignisse Revue passieren lassen, dann haben wir oft …

Wie man Kosten, Zeit und Ärger spart

Als ich kürzlich mit meinen Studenten das Handlungsmodell von J. Reason (Was kann in Projekten und Unternehmen alles schief gehen) anschaute und darauf hinwies, wie wichtig es sei, sich über die eigenen Entscheidungen und Beurteilungen klar zu werden, da erzählte mir einer der Studenten, dass ein Freund von ihm angehalten sei, sich alle zwei Wochen …

Lessons Learned ist tot, es leben die Learning Stories

Wie kommt es, dass Sie beim Kaffeeautomaten dem Kollegen mühelos zuhören und ihn verstehen, wenn er von seinen Projekterlebnissen erzählt, dass Sie sich aber mühsam durch die nüchterne Sprache eines Protokolls und durch abstrakte Grafiken quälen, die von genau demselben Projekt handeln? Es kommt daher, dass der Kollege Ihnen eine Geschichte erzählt, in der er …

Neue Lemmingarten entdeckt!

In einem Artikel über eine nachhaltige Informationsgesellschaft und ihren Perspektiven für das Jahr 2050, zählt Franz Josef Rademacher, Professor für Künstliche Intelligenz an der Universität in Ulm, einleitend zwei Grobszenarien auf: eines, in dem sich die im Raum stehenden Hoffnungen erfüllen, und ein eher chaotisch-schmerzhaftes Szenario, das sehr unangenehm werden kann1. Dieses letztere Szenario wird …

Wo würden Sie sich auf der Costa del Sol als Eisverkäufer platzieren?

Modelle sind für das Verständnis von komplexen Projekten und Unternehmen etwas sehr wichtiges. Der Grad der Komplexität moderner wirtschaftlicher Strukturen ist heute so gross, dass es unmöglich ist, ohne Modelle zu führen. An einem Beispiel wollen wir uns zu der Anwendung von Modellen Gedanken machen. Hotelling beschrieb 1929 ein Modell zweier Anbieter homogener Produkte1. A1 und A2, die beiden Anbieter, sind entlang einer Strecke einer bestimmten Länge positioniert (Beispiel: Eisverkäufer auf einem Strandabschnitt). Mit ai bezeichnen wir die Koordinate von Ai , d.h. den Abstand vom linken Ende der Strecke.

O.B.d.A. kann angenommen werden, dass die Strecke die Länge 1 hat und dass A1 näher am linken Endpunkt der Strecke steht als A2, d.h. a1 < a2. Ai verkauft seine Produkte zum Preis pi. Die Frage ist nun, für welche ai die beiden Anbieter den grössten Nutzen haben. Das klassische Modell, das diese Frage beantwortet, geht von vier Voraussetzungen aus:
1. Die Kunden sind entlang der Strecke gleichverteilt
2. Die Kunden besitzen eine unendliche Preiselastizität, d.h. fragen unabhängig vom Preis eine Einheit nach
3. Jeder Kunde fragt in der Beobachtungsperiode genau eine Einheit nach
4. Der Transportkostensatz c, den ein Kunde bezahlen muss, um die erstandene Produkteinheit von ai zu seinem angestammten Platz («nach hause») zu transportieren, ist für alle Kunden derselbe

Somit hat ein Kunde bei Koordinate y Erstehungskosten von | p1 + c( y – a1) |, wenn er bei A1 kauft. (Es gibt Autoren, die mit quadratisch von der Distanz abhängigen Transportkosten argumentieren. Um das Modell nicht zu überladen, nehmen wir konstante und lineare Transportkosten an, was ja gar nicht so realitätsfern ist). Gilt am Punkt x

so werden alle Kunden links von x bei A1 kaufen und alle rechts von x bei A2. Der Kunde in x ist indifferent und hat dieselben Erstehungskosten, ob er nun bei A1 oder bei A2 kauft. Für x ergibt sich

Das klassische Modell, dem wir hier folgen, argumentiert, dass

die jeweiligen Nutzenfunktionen der Anbieter seien. Nach Voraussetzung 1. ist x ja der Teil der Kunden, die bei A1 kaufen., bzw. (1 – x) derjenige Teil, der bei A2 kauft. di sind die Selbstkosten, die der Anbieter Ai pro Einheit zu tragen hat.

Aus

und

folgt nun, dass sich Anbieter A1 möglichst weit rechts und Anbieter A2 möglichst weit links positioniert. Da wir a1 < a2 voraussetzten, bedeutet dies, dass sich beide Anbieter in der Mitte, also bei Koordinate ½ treffen.

Die Kritik an diesem Modell ist offensichtlich. Zunächst können alle vier Grundvoraussetzungen als realitätsfern zurück gewiesen werden. Während es einfach ist, das Modell in Richtung realistischer Nachfrage zu erweitern und damit die Grundvoraussetzungen 1 – 3 zu eliminieren, bietet 4 bereits Probleme. Verschiedene Kunden verwenden vielleicht unterschiedliche Transportmittel, die jedes Mal einen anderen Transportkostensatz verlangen. Es gibt Behandlungen des Hotellingschen Strassendorfes, die zu anderen Resultaten kommen. Beispielsweise positionieren sich die Anbieter zu ihrem grössten Nutzen möglichst weit voneinander, wenn die Transportkosten quadratisch mit der Distanz ansteigen.
Die Wirklichkeit ist viel filigraner, als das klassische Modell. Dennoch können wir die Aussage des Modells, so wie wir es hier darstellten, in Wirklichkeit beobachten. Oft stehen nämlich Filialen der zwei grössten Food-Ketten eines Landes in Sichtweite voneinander, und in grossen Einkaufszentren kann man nicht selten für eine Produktgruppe gleich zwei oder mehrere Anbieter unter dem gleichen Dach antreffen. Die Häufung von Anbietern homogener Produkte ist ein bekanntes Phänomen. Abhängig von Branche und Preissegmente lassen sich aber auch gegenteilige Trends beobachten, für die es auch Modelle gibt. Welches Modell beschreibt nun genau unsere Situation, die wir gestalten möchten? Wie können wir sicher sein, dass ein Modell unsere spezielle Situation richtig abbildet und nicht gerade eine diametral gegenüberliegende Situation? Vielleicht trifft eine Kombination mehrerer Modelle die gesuchte Situation.

System Dynamics (SD) Modelle: Je grösser und umfangreicher, je mehr Feedbackschlaufen, desto stabiler. Betrachtet man die Natur als Eins-zu-eins-Modell, so ist sie das ultimativ ausführlichste und umfangreiche Modell. Die Natur dämpft also in der Regel Störungen recht gut ab. Trotzdem kommt es in der Entwicklung immer wieder zu Emergenzen. Es kann sogar so sein, dass Oszillationen scheinbar zum Verschwinden gedämpft werden und das System über lange Zeit hinweg ruhig bleibt, dann aber plötzlich eine Katastrophe auftritt. Dieses Verhalten kann ein Modell auch aufzeigen. Dazu ist es aber unbedingt notwendig, dass auch das Umfeld des Systems weiträumig in das Modell einbezogen wird. Es hilft z.B. wenig, wenn in ein Projektmodell nur gerade das dynamische Geschehen innerhalb des Projekts eingeht. Es müssen auch Kultur des Unternehmens, Persönlichkeitsmerkmale der einflussnehmenden Projektmitarbeiter und Erwartungen der künftigen Anwender des Projektgegenstandes einbezogen werden.

System Dynamics Modelle geben nur zurück, was man hinein gesteckt hat, d.h. ein SD-Modell ist eine Tautologie. Das heisst aber noch lange nicht, dass die auf SD-Modellen basierenden Erkenntnissen offensichtlich sein müssen.

Es gibt zwei Gründe, wenn man den Eindruck hat, dass zuwenig herauskam:

1. Man hat zuwenig in das Modell hinein gesteckt. Das kann natürlich wiederum verschiedene Gründe haben. Häufig jedoch wird «verschwiegen», was einem belasten oder schaden könnte. Das passiert natürlich unbewusst. Der Kunde merkt vielleicht instinktiv, dass die Erkenntnisse aus dem Modell Machtdispositionen zur Disposition stellen oder einen Gesichtsverlust nach sich ziehen könnte. Vielleicht weisen die Erkenntnisse auch Versäumnisse der Vergangenheit auf, die man durchaus kannte, aber aus Verantwortungslosigkeit unterliess. Hier ist der Modellierer als Organisationsentwickler und Coach gefragt.
2. Es könnte sein, dass die Erkenntnisse aus dem Modell vorher diffus bekannt waren. Während der Erarbeitung des Modells ging den Personen langsam ein Licht auf – wie mit einem Dimmer. Die Einsicht kam nicht unmittelbar, sondern schleichend. Der Bewusstseinsprozess selber lief unbewusst ab. Das ist grundsätzlich ein gutes Zeichen, aber der Kunde hat natürlich immer das Gefühl, dass es nichts gebracht habe, weil er den Fortschritt seiner Erkenntnisse gar nicht wahrgenommen hat.

Trotzdem kann ein System Dynamics Modell Neues aufdecken. Es ist durchaus denkbar, dass ein Problem aus turbulenten Zeiten nicht überwunden, sondern nur schlafen gelegt wurde. Das kann dann später, wenn man’s nicht erwartet, aufbrechen.

Geht man davon aus, dass es eine Wirklichkeit unabhängig vom Beobachter gibt, dann weiss man, dass man durch selektive Wahrnehmung und Ausblenden von Teilen nur einen Teil wahrnimmt. Es kann sein, dass man diesen Teil mit mentale Konstruktionen ergänzt, die keine Entsprechungen in der realen Welt zu haben brauchen. Allerdings muss das Konstruierte mit dem Teil, der von der Realität stammt, kompatibel und kohärent sein. Es ist daher sehr schwierig, etwas dazu zu konstruieren. Umgekehrt können kognitive Unterspezifizierungen dazu führen, dass der wahrgenommene Teil der Realität Löcher aufweist, was eine wesentliche Quelle von Fehlentscheiden und fehlerhaften Handlungen zu sein scheint.2. Versucht man dann, das (löchrige) Beobachtete und das Konstruierte zu modellieren, kann das Modell Tatsachen aufzeigen, die ausserhalb der Wahrnehmung liegen und kontraintuitiv sind. In diesem Fall wirkt ein Modell bewusstseinserweiternd.

Ein System Dynamics Modell hat die Funktion eines Mikroskops für die dynamischen Entwicklungen unserer Systeme. In den meisten Fällen weiss man, was man in einem Mikroskop sehen wird. Aber man will ein bestimmtes Detail genauer beschreiben.

1H. Hotelling. Stability in Competition. Economic Journal 39:41-57. 1929
2James Reason. Menschliches Versagen – Psychologische Risikofaktoren und moderne Technologien. Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg und Berlin, 1994 „Wo würden Sie sich auf der Costa del Sol als Eisverkäufer platzieren?“ weiterlesen

Wasch mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht nass

Migrations- und Integrationsprojekte (MIP) sind immer auch Veränderungsprojekte. Jedes System widersteht aber Veränderungen, wie wir schon bei der Bildung der Bénard-Zellen gesehen hatten. Ein grosses Problem bei der Durchführung von MIP ist die Tatsache, dass man ihr Veränderungspotential unterschätzt. Es ist allgemein anerkannt, dass ein Organisationsentwicklungsprojekt selbstreferentiell ist und daher ein grosses Veränderungsmoment entwickelt. Bei …

Von Nichts kommt nichts

Zwar kann durchaus etwas aus dem Nichts entstehen (Energie des Vakuums), aber sicher keine vollständigen Anforderungskataloge. Ich mache mir zuweilen einen Sport daraus, Gesprächspartner, die behaupten, dass sie mit Projekten zu tun haben, nach ihren Erfahrungen zu befragen. Insbesondere bin ich interessiert zu wissen, wie sie mit Problemen umgehen. Kaum einer will wissen, wovon ich …