Seit einigen Monaten diskutiere ich mit einem Freund über die Definition eines bestimmten mathematischen Objekts. Er hat da so seine dezidierte Sichtweise, an der ich meine Kritik übe. Eben hat er mir vorgeworfen, er hätte sich bei der Lektüre meines letzten Briefes gewisse Informationen aus den Fingern saugen müssen. Dafür wären andere Teile des Briefes unverständlich oder hätten sich mit überflüssigen Tatsachen beschäftigt. Dabei war alles sonnenklar. Und dass er einen wichtigen Gedanken als „unverständlich“ abtat kommt nur daher, dass er in seinem Weltbild gefangen ist und sich nicht Mühe macht, über den Tellerrand zu blicken.
Gleichzeitig erhalte ich Mails von einer hilfesuchenden Person, die angeblich nicht mehr auf das „www.-Netz“ kommt, wie sie schreibt. Ob ich wisse, was da los sei. Ich fragte nach und erfuhr, dass der Browser immer meldet: „Seite nicht gefunden“. Als ich ein paar offensichtlich nutzlose Tipps gab, schrieb die Person, ich solle nicht weiter darüber nachdenken, sie gehe nun „mit dem Google ins www.Netz“.
Das sind zwei Beispiele von Kommunikationsproblemen. Daher erklären Managementberater immer wieder, dass man nicht genügend kommunizieren könne und bieten gleich noch Trainings an, wie man „richtig“ kommuniziert. Das scheint mir aber zu kurz gegriffen. Für mich scheint mein Freund, mit dem ich über Mathematik diskutiere, ein übersichtliches Weltbild zu haben, das ihn täglich beschäftigt und in dem er seine Wahrnehmung zurecht schneidert. Auch die hilfesuchende Person, die ins www-Netz will, hat eine ziemlich eingeschränkte Sicht der Dinge. Ich hingegen sehe die ganze grosse Welt, wie sie ist und muss mich mit vielen unzusammenhängenden Dingen abmühen.
Tatsache ist, dass auch ich gewisse Schemas im Kopf habe, um die ich die Welt aufwickle und die mich von morgens bis abends beschäftigen. Verstehe ich die Erklärungen anderer nicht, dann deshalb, weil sie sie in ihrem Weltbild formulieren. Für sie sind gewisse Dinge selbstverständlich und andere ausgeblendet. Dasselbe gilt, wenn die Mitmenschen meine Ausführungen nicht verstehen. Ich sehe Dinge, die sie nicht wahrnehmen oder halte Tatsachen für wichtig, die andere in ihrem Weltbild nicht prioritär verankert haben.
Das Problem ist also nicht in erster Linie Kommunikation, sondern Wahrnehmung und Weltbild. Es gibt keine „richtige“ Kommunikation. Sie würde bedingen, dass wir die Weltbilder aller Menschen in uns vereinigen. Wir können nur so kommunizieren, wie es unserer sehr beschränkten Sicht der Dinge entspricht.
Wahrscheinlich erwarten nun viele Leser einen abschliessenden Ratschlag, weil ihre Schematas Wenn-dann-Charakter haben. Kommt kein Ratschlag, dann verstehen sie nicht, was ich sagen wollte. Meine Schematas haben aber Wie-ist-es-Charakter. Ich bin zufrieden, wenn ich etwas beschreiben kann, auch wenn keine Handlungsanweisung daraus resultiert. Das mag Sie vielleicht verwirren.