Fotografie

Sobald Menschen in einer ungewohnten Umgebung sind, wollen die meisten ihre Eindrücke fotografisch festhalten, vor allem, wenn ein Fortoapparat zur Verfügung steht. Und seit es Smartphones gibt, ist das der Fall. So machte auch ich von hier und da Fotos, bis ich es einmal mit einer „richtigen“ Spiegelreflex versuchen wollte (die Systemkameras haben mir n-o-c-h einen zu kleinen Marktanteil). So ziehe ich denn seit fast 2 Jahren mit einer DSLR herum und fotografiere, was das Zeugs hält.

 

#filter ist besser als #nofilter

Meine phantastische Welt. Storch, Flughunde und Baum stammen aus verschiedenen Aufnahmen. Das reflektierende Wasser im Vordergrund ist künstlich erzeugt.

Von Anfang an war ich mit den Rohbilder, wie sie ein Fotoapparat macht, nicht zufrieden, sei es eine Smartphone- oder eine DSLR-Kamera. Die Fotos geben meine Wahrnehmung nicht wirklich wider. Z.B. sehe ich die Welt farbiger, als sie auf dem Rohbild scheint. Zuerst versuchte ich es mit Erhöhen der Sättigung, erntete dabei aber meist Kritik, weil ich die Farben angeblich zu sehr überhöhte. Dabei entsprach es eher meiner tatsächlichen Wahrnehmung. Verschiedene Menschen sehen eben dasselbe oft auf verschiedene Weise. Eines war mir klar: Es ist nicht so, dass eine Kamera die Wirklichkeit selbstverständlich objektiv wider gibt. Eine Kamera rechnet sich ein Bild zusammen, das nur mit geringfügiger Wahrscheinlichkeit mit der Wahrnehmung des Fotografen übereinstimmt. Insofern empört mich der Tag „#nofilter“. Es ist billig, eine Aufnahme direkt aus der Kamera hochzuladen, ohne sich die Mühe zu machen, die Fotografie seiner Wahrnehmung anzugleichen. Ich will nicht ein Bild betrachten, wie es auch ein Roboter machen kann, wenn er nur genau dort steht, wo der Fotograf gestanden hat. Da liegt so gar nichts Individuelles oder gar Kreatives drin. Wenn ich eine Fotografie betrachte, möchte ich in erster Linie etwas über den Fotografen erfahren und erst dann über das Objekt. Also, mir ist #filter ein besserer Tag.

 

 

 

Eines meiner minimalistischen Bilder: An einem Markt im Hafen von Imperia sind Zelte als Stände aufgebaut. Hier nur die Zeltspitzen.

Ich ringe denn seit je mit einem individuellen Stil. Einerseits sind meine Sujets vorgegeben. Es sind die Bilder, die ich in meinem Alltag antreffe. Es sind also Aufnahmen von Städten, Landschaften und Stränden. Es sind nicht arrangierte Fotos, in der eine Person genau dort und dort in einer bestimmten Pose stehen muss oder Gegenstände speziell für eine Foto positioniert wurden.

 

Eine meiner miniaturistischen Kreationen

Meine Vorbilder

Eine wesentliche Tätigkeit eines jeden Fotografen, sei es ein Profi oder ein Amateur, ist es, die Fotos von anderen Fotografen zu betrachten, sich zu überlegen, ob einem das Bild anspricht und warum. Wichtig ist es, sich klar darüber zu werden, was genau einem anspricht und ob man es in den eigenen Bilder auch einbaut.

Ich verbringe denn relativ viel Zeit, um in Fotoplattformen zu blättern. Zuerst startete ich mit Instagram. Das ist mein ursprünglicher Publikationskanal. Selfies, Bilder von Betriebsausflügen, Foodporn und Modeschauen gehören gemäss meiner Instagram-Sozialisation nicht dorthin, sondern auf Facebook. Seit einiger Zeit versuche ich zu diversifizieren. Jede Plattform hat ihre Vor- und Nachteile. Endlich ein bisschen Fuss fassen konnte ich auf Flickr. Auf EyeEm und auf National Geographic muss ich Bilder in voller Grösse posten, d.h. ein Bild muss mindestens vier bis fünf MB gross sein. Auf EyeEm kann ich die Bilder via Getty Images verkaufen.

Bei meinen Betrachtungsübungen haben sich ein paar Stile herausgeschält, die mich ansprechen und die mir Vorbild sind. Das sind im Wesentlichen folgende drei Stile:

  • phantastische Welten
  • Minimalismus
  • Miniaturismus.

Ich kann nicht alle meine Fotos in einem dieser Stile präsentieren, weil ich ja auch stets Zeitdokumente und Strassenszenen ‚rüber bringen will. Diese lassen sich nicht beliebig verfremden und minimalisieren.

Dieses wunderbare Bild stammt von Fran Garcia. Er hat es unter dem Handle @instafraner auf Instagram publiziert und mir die Erlaubnis gegeben, es hier zu päsentieren.

Phantastische Welten können auch als „digital art“ bezeichnet werden. Die Welten sind mit aufwändigen Softwaerpaketen erzeugt worden.
Diese Softwarepakete sind sehr umfangreich. Es dauert Wochen und Monate, bis ich eines davon verstehe und dann vielleicht Jahre, bis ich die nötige Routine habe, um solch professionelle Bilder produzieren zu können.

Manchmal mache ich auch phantastische Welten (siehe oben), aber sie befriedigen mich nicht so ganz, obwohl sie beim Publikum immer recht gut ankommen.

 

 

 

 

 

Minimalismus ist die Beschränkung auf ein einfaches Detail, wie hier z.B. eine Figur auf dem Dach des Mailänder Doms. Wenn ich aber z.B. architektonische Strukturen oder Stadtszenen abbilden will, ist Minimalismus nicht immer passend. Dennoch versuche ich oft, minimalistische Bilder zu machen (ein fotografisches Bild wird gemacht, nicht genommen), wie z.B. die Zeltspitzen oben rechts.  Wenn mir solche Bilder gelingen, bin ich stolz darauf, auch wenn sie nicht immer die Anzahl Likes generieren, wie eine phantastische Welt. 

Das Fenster mit dem grünen Sonnenvorhang (siehe unten rechts) habe ich in Milano fotografiert und dann in einen gelbe Hausfassade eingefügt.  Zwar fehlt der Schatten der Wäsche, aber es soll ja eigentlich nicht ein Fenster in einer realen Hausfassade darstellen, sondern eine Foto, die auf das Fenster mit Person und Wäsche minimalisiert wurde. Die gelbe Fläche ist eigentlich bloss ein Rahmen, auf den kein Schatten gehört.

 

Ein wahrhaftes Meisterwerk in Miniaturismus von meiner Instagram-Followerin und Künstlerin @ruuduko.

Miniaturismus sind meist Fotos von weiten Räumen und Flächen mit entfernten und daher klein erscheinende Objekten, wie Personen, Bäumen und Gebäuden. Diese Art ist in der Stadtfotografie weniger geeignet, da die Objekte immer sehr nahe sind.

Hier ein Beispiel von Satu, einer meiner Lieblingsfollowern. Sie heisst auf Instagram @ruuduko und ist eine Meisterin in miniaturistisch-minimalistischer Fotografie.  Ihre Galerie auf Instagram ist ein Augenschmaus. Ich wünschte, ich könnte solche Meisterweke schaffen, wie sie. Satu hat mir erlaubt, dieses nebenstehende Bild hier als Beispiel einer gelungenen miniaturistischen Fotografie zu präsentieren.

In Anlehnung an @ruuduko habe ich das Bild mit der Frau mit Sonnenschirm und dem Baum kreïert (s. oben links). Ich habe es recht gut hingekriegt, finde ich. Der Boden und der Baum sind aus Dambulla in Sri Lanka. Die Frau habe ich auch in Sri Lanka fotografiert, aber an einem ganz anderen Ort.

Natürlich ist Miniaturismus immer auch eine Art Minimalismus, aber ich mache dennoch einen Unterschied.

 

 

Ich habe auch weiterhin „gewöhnliche“ Bilder publiziert, daneben aber neue Wege ausprobiert. Als ich vor ein paar Tagen den Pirelli Hangar besuchte, in welchem Künstler ihre weiträumigen Skulpturen und Installationen ausstellen, habe ich wieder frischen Elan bekommen, weiterhin an meinem Stil zu arbeiten.

Meine bevorzugten Sujets sind Stadtszenen und Architekturelemente sowie spezielle Landschaften, wie z.B. Strandabschnitte oder bestimmte Landschaftsstrukturen. Wie kann ich diese in kreativer Weise darstellen, ohne einfach ein minimal bearbeitetes Rohbild zu präsentieren oder das Wesentliche zu verlieren, indem ich das Bild minimalisiere?

 

 

Meine Experimente

Um nicht einfach knapp bearbeitete Ansichtskartenfotos zu publizieren, probiere ich verschiedene Ansätze einer Weiterentwicklung aus:

Verfremdung

Zum einen experimentiere ich mit Verfremdungseffekten: Ein Ausschnitt des Rohbildes lasse ich in einen grösseren Hintergrund hinein verlaufen. Der Ausschnitt soll aber nicht so klein sein, dass er minimalistisch wird, sondern die Hauptszene immer noch abbilden. Durch Verzerrungs- oder Bokeheffekte soll eine attraktive Verfremdung herbeigeführt werden.

In diesem Beispiel habe ich eine Strassenszene von Milano bearbeitet.  Die Strasse mit ihrer Architektur ist noch erkennbar. Die Personen verlaufen in der Szene (angenehme Nebenerscheinung: sie werden unkenntlich, so dass keine Diskussion über Persönlichkeitsrechte entsteht).

 

 

 

Strukturfortsetzung

Eine andere Art von Experimenten ist, gegebene Strukturen in einen grösseren Hintergrund einzuzbetten und sie darin durch fremde Objekte weiterzuführen. Ich nenne diese Technik „Strukturfortsetzung“ . Als Mathematiker liebe ich Strukturen. Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass ich gerne architektonische Sujets fotografiere.  Strukturfortsetzung nenne ich die Technik, weil ich bestehende Strukturen in einem Originalbild mit ähnlichen Strukturen aus anderen Bildern fortsetze.

In diesem Beispiel habe ich die Mittelstreifen einer Autobahn in Mailand durch handgezeichnete Linien  fortgesetzt. Sie reichen bis zum Mond, als Symbol dafür, dass die Länge aller Autobahnen enorm ist. Die Leitplanken habe ich durch eine Kugelskulptur (aus Saigon) fortgesetzt. Die Kugeln nehmen die Kugelgestalt des Mondes auf, sollen aber auch die Erdkugel darstellen, um die sich Autobahnen mehrmals winden. Schliesslich entsteht ein Bild, das Mobilität symbolisieren könnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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