Covid-Strategien am Beispiel zweier verschiedener Länder

Jedes Land folgt einer eigenen Covid-Strategie, wobei China im Dezember 2019 harte Lockdowns vormachte. Die befallenen Länder haben der Reihe nach von diesen ersten Erfahrungen profitiert. In der ersten Welle vom Frühjahr 2020 machten die Länder dann eigene Erfahrungen, die ihnen jetzt in der zweiten Welle zugute kommen. Wir haben (für Sie) die Covid-Strategien speziell von Sri Lanka und von Italien näher unter die Lupe genommen.

Sri Lanka

Im Spätsommer glaubten wir, dass Sri Lanka die Grenzen dicht gemacht hat und nur noch Landsleute hinein lässt. Klar, denn bis Ende Oktober hatte das 20 Millionen-Volk kaum 20 Covid-Tote zu beklagen. Zum Vergleich: unter den 8 Millionen Schweizer gab es Ende Oktober bereits über 2000 Covid-Tote. Sri Lanka befand sich also in einer erstaunlich guten Situation! (mittlerweile gibt es auch dort über 100 Covid-Tote zu beklagen). Und so hätte es nicht erstaunt, wenn die Sri Lankis alles daran setzen wollten, dass es so bliebe. Dennoch war es eigentlich immer möglich, einzureisen. Nur, zu welchen Bedingungen?

Zunächst müssen Sie sich an die nächste Botschaft von Sri Lanka wenden und eine Einreiseerlaubnis beantragen, indem Sie einen trifftigen Grund für Ihre beabsichtigte Einreise angeben. Das ist natürlich nicht so einfach, wie es jetzt klingen mag. Wenn Sie die Einreiseerlaubnis auf dem Korrespondenzweg zu beantragen versuchen, werden Sie zunächst vielleicht gar keine Antwort bekommen, weil das ohnehin reduzierte Botschaftspersonal grundsätzlich überlastet ist. Ich nehme an, telefonieren liegt erst recht nicht drin. Am besten wäre es, ad personam direkt selber vorbei zu gehen. Aber die nächste Botschaft Sri Lankas liegt vermutlich nicht gleich um die Ecke. Wenn Sie dort sind, stellen Sie vielleicht fest, dass die Botschaft grad geschlossen ist und Sie erst anderntags kommen können. Da wird man Ihnen vielleicht sagen, dass der Schalter für Immigrationsangelegenheiten z.B. erst übermorgen geöffnet ist. Am besten nehmen Sie sich also in der Stadt, in der sich die nächste Botschaft befindet, für paar Tage ein Hotelzimmer.

Wenn Sie dann nach Langem eine gültige Einreiseerlaubnis haben, müssen Sie einen Flug finden. Nur wenige Fluggesellschaften fliegen Colombo an und das vielleicht nur einmal in der Woche. Wenn es endlich losgeht, müssen Sie einen Covid-Test machen und zwar so terminiert, dass er bei Ankunft nicht älter ist als 72 Stunden. Nichts destotrotz werden Sie die Sri Lankischen Behörden nach der Landung in Colombo eines erneuten Test unterziehen. Keine Ahnung, wie vorzugehen ist, wenn unterwegs ein Anschlussflug nicht klappt und Sie erst dann weiterfliegen können, wenn die 72 Stunden verstrichen sind. Ob Sie am Transitort so schnell einen erneuten Test machen können? Wenn nicht? Dann müssten Sie vielleicht in Colombo einen Test machen, diesen als gültig vorweisen, weil er vor weniger als 72 Stunden, nämlich eben gerade, gemacht wurde, um dann gleich den obligatorischen Einreisetest über sich ergehen zu lassen. Oder ob man Sie zurück schicken würde? Ich weiss es nicht. Auch frage ich mich, was passieren würde, wenn der Immigrationsbeamte am Flughafen die Einreisebewilligung der Botschaft nicht akzeptieren würde, z.B. mit der Begründung, dass der Botschaftsbeamte, der die Bewilligung ausgestellt hat, dazu gar nicht befugt war. Im August habe ich zwar einen etwa 120 seitigen Draft gesehen, in welchem alle möglichen und unmöglichen covidbedingten Immigrationsabläufe beschrieben waren. Aber ich nehme an, dass sie längst mehrfach abgeändert und durch andere Abläufe ersetzt wurden.

Sollte bis jetzt alles gut gegangen und auch der Einreisetest negativ sein, dann dürfen Sie einreisen. Sofort nach dem Zoll werden Sie von einem freundlichen Armeeangehörigen abgeholt und in ein dediziertes Hotel gebracht. Dort wird Ihnen ein Zimmer zugeteilt, das Sie dann 10 oder 14 Tage nicht verlassen dürfen. Sie werden also in einem vergleichsweise luxuriösen Hotelzimmer für zwei Wochen inhaftiert. Es ist nicht gestattet, auch nur für 5 Minuten an die frische Luft zu gehen. Auch zum Essen dürfen Sie das Zimmer nicht verlassen. Ein Kellner stellt Ihnen zur Essenszeit ein Tablet vor die Tür, das Sie zu sich nehmen dürfen, wenn sich der Kellner entfernt hat. Und erst nach Ablauf dieser 10 oder 14 tägigen Quarantänefrist dürfen Sie sich dann im Land frei bewegen. Es ist also durchaus möglich, in Sri Lanka einzureisen, nur nicht so, wie wir uns das vorstellen. So jedenfalls scheint es mir, wenn ich die Erfahrungsberichte in der Facebookgruppe „Repatriates Sri Lanka 2020“ lese.

In Sri Lanka ist es üblich, dass sich täglich Ankündigungen und deren Widerruf folgen. Im Frühjahr 2020 gab es sogar ein App, die alle angeblich offiziellen Ankündigungen und Beschlüsse erwähnte und als wahr oder fake klassifizierte, damit man grad weiss, was man gleuben darf. Gerade heute lese ich in Sri Lankas Daily Mirror:

Plans have been made to open the airport in accordance with the COVID guidelines enabling foreign tourists to enter the country following the approval of the health authorities, Minister of Tourism Prasanna Ranatunga said.

Ich möchte es den vielen Sri Lankis, die vom Tourismus lebten, von Herzen gönnen, wenn wieder paar Touristen zögerlich einen Fuss auf die Insel setzen (dürfen). Man stelle sich z.B. einen Fahrer einer Limousine vor, mit der er Touristen zu den verschiedenen Sehenswürdigkeiten Sri Lankas fährt. Anders als mit einem PKW kommen Sie nie zu den Sehenswürdigkeiten! So ein Fahrer liegt seit fast einem Jahr herum, weil es absolut keinen Tourismus mehr gibt. Die Limousine ist jedoch vielleicht geleast und die Kredite müssen bedient werden. Nein, er findet auf die Schnelle kaum irgend eine andere Arbeit, weil viele Projekte letztendlich wieder vom Tourismus abhängen.

Wohlgemerkt, beim Daily Mirror Zitat des „Ministers of Tourism“ es geht nur um „plans“ und vielleicht bleibt es auch dabei. Und bestimmt fallen die Auflagen der Covid-Tests und der zweiwöchigen Quarantäne nicht weg. Wenn Sie also nächstens auf Sri Lanka zwei Wochen Urlaub planen, dann sollten Sie noch zwei Wochen verlängern, wegen der Quarantäne. Und vielleicht müssen Sie bei der Rückkehr in Europa nochmals zwei Wochen in eine Quarantäne. Natürlich nicht, weil Sie aus Sri Lanka kommen, wo Sie sich kaum anstecken konnten, sondern vielmehr, weil die engen Touristenklassekabinen in den Flugzeugen möglicherweise eine wahrhafte Brutstätte des Virus sind.

Italien

Italien ist das Asien Europas, wie ich ab und zu zu sagen pflege. Das gilt aber nicht für die Ausbreitung des SARS-CoV-2. Im Sommer blühte der Tourismus in Italien, wie in anderen Sommer auch. Ausser einer relativ lockeren Maskentragepflicht, war von Covid fast nichts zu merken. Die Strände waren voll badehungriger Gäste und die Restaurants waren abends voll. Zwar wurden an den Stränden die Liegestühle und in den Restaurants die Tische etwas weiter auseinander gestellt als im Sommer zuvor. Und in den Restaurants sasss man sowieso draussen.

In der jetzigen zweiten Welle steht Italien unter den europäischen Staaten recht gut da, jedenfalls besser als z.B. die Schweiz, aber dennoch sind die Zahlen, wie durchgehend in Europa, sehr hoch. Der Maskentragepflicht wird in Italien sehr viel disziplinierter nachgekommen, als in der Schweiz. Die 20 italienischen Regionen haben einen Status – rot, orange oder gelb. Jede Farbe entspricht einem Bündel an Einschränkungen, wobei Orange die Einschränkungen von gelb erbt und darüber hinaus noch zusätzliche Einschränkungen beachten muss. In einer roten Region gelten wiederum alle Einschränkungen des orangen Status plus einigen weiteren zusätzlichen Einschränkungen. Maskentragepflicht gilt innerorts in jedem Farbzustand. Ebenfalls durchgehend geschlossen sind Theater, Kinos, Sportzentren und Museen.

Beispielsweise ist die Region Ligurien gelb. Das bedeutet, dass man sich frei bewegen kann. Schulen bis zur neunten Klasse haben on-site-Unterricht. Geschäfte, Bars, Cafés und Restaurants haben während des Tages geöffnet, müssen aber um 18 Uhr schliessen. Einige verkaufen zwischen 16 und 18 Uhr noch Pizzas „über die Gasse“. Cafés und Bars können nach 18 Uhr unter Umständen wie ein Kiosk geöffnet sein, d.h. Sie können einen Kaffee draussen vor der Eingangstür bestellen und ihn dann im Becher mitnehmen. Man kann in Ligurien durchaus gut leben, muss aber einfach die Maskentragepflicht beachten. Im Restaurant kommen Sie in Maske an den Tisch, bestellen in Maske und legen sie ab, wenn das Essen aufgetischt wird.

Im November fiel Ligurien vorübergehend in den orangen Zustand. Gymnasien und Hochschulen funktionieren ausschliesslich mit Fernunterricht. Restaurants und Cafés waren auch während des Tages geschlossen, konnten aber „über die Gasse“ anbieten. Die einschneidenste Einschränkung war aber, dass man sich nur innerhalb der Gemeinde bewegen durfte. Und in Italien ist es wie in der Schweiz: beinahe jede Hausecke ist eine eigene Gemeinde; will sagen, dass die Gemeinden klein und keineswegs zu Grossgemeinden mit effizienteren Verwaltungen fusioniert sind.

In den roten Regionen, wie beispielsweise die Lobardei, das Piemont und das Aostatal, gilt grundsätzlich ein allgemeines Ausgehverbot. Man muss also zuhause bleiben. Wer aus beruflichen Gründen unterwegs sein muss, der benötigt eine Sondergenehmigung. Die Schulen sind geschlossen und haben Fernunterricht, mit Ausnahme der Schulen bis zur sechsten Klasse.

Im November und der ersten Hälfte Dezember sind die Einwohner italienischer Gemeinden unter sich. In dieser Zeit bleiben die Menschen der Kälte wegen sowieso eher zuhause. Über die Festtage jedoch, Weihnachten und Silvester, reisten oft viele (italienische) Touristen an die Meeresküsten, um die Sonne zu geniessen. Es ist zu erwarten, dass über diese Zeit gewisse Sonderregelungen verfügt werden. Ich denke, öffentliche Weihnachtsfeiern und grosse Silversterparties werden verboten. Um privat keine grossen Familienvereinigungen zu provozieren, dürfte die Bewegungsfreiheit dann auch wieder auf die Gemeinden beschränkt bleiben, vielleicht auch in den gelben Regionen. Ich denke, das wird noch diskutiert.

3 Antworten auf „Covid-Strategien am Beispiel zweier verschiedener Länder“

  1. Da haben wir es in Venezuela auf der Isla Margaruta also richtig schön. Wir bewegen uns frei. Wir haben wenig Benzin. Wir haben stundenlang keinen Strom. Wir haben Tagelang kein Wasser in den Leitungen. Dennoch … Die Strände füllen sich, leider nur mit Einheimischen, keine Touristen von denen die Insel eigentlich leben sollte. Die Restaurants öffnen wieder. Ca. 50% tragen noch Maske. Räuber sind natürlich nach wie vor Vollmasken. 50%, der anderen Hälfte ist es wurst, oder man glaubt einfach nicht daran, oder man ist oder denkt man ist schon immun. Meine Familie trägt nichts dergleichen. Aber ohne kommt man in kein Geschäft hinein. Da gibt es spontane, auch politische Versammlungen. Die Leute stehen dicht gedrängt weil der Platz zu klein ist. Im Restaurant trägt das Personal Masken. Die Gäste tragen keine, kommen ohne, es isst sich ja nicht gut durch die Maske. Und die Statistik? Zwei Zahlen. In 5 Monaten etwa 570 Covid-Tote bei 30 Mio. die noch da sind. Im gleichen Zeitraum etwas mehr als 17’000 Mordopfer. Ich hoffe Du verstehst wo die Prioritäten sein sollten, wo fokkusierte Massnahmen eingeleitet werden sollten, aber nicht zustande kommen. Eine verrückte Welt. Hoffnung? Am Sonntag sind Wahlen. Maduro hat gesagt, dass er abhaut wenn er nicht gewählt wird. Wetten, dass er wieder gewählt wird. Ich wünsche Dir alles Gute, und frohe Festtage. Sepp.

    1. Vielen Dank, Sepp, für die tollen Ergänzungen! Es ist interessant, wie verschiedene Kulturen verschiedene Strategien entwickeln.

      Ich wünsche Dir auch alles Gute und frohe Festtage. Pass auf Dich auf!

  2. Lieber Peter
    Genau so wie Du Du das beschreibst, trifft es es auch die Venezolaner der Insel Margarita, dort wo ich wohne. Man kann einfach Sri Lanki mit Venezolano ersetzen und hat das nächste Beispiel. Du schreibst: „Ich möchte es den vielen Sri Lankis, die vom Tourismus lebten, von Herzen gönnen, wenn wieder paar Touristen zögerlich einen Fuss auf die Insel setzen (dürfen). …“
    Margarita/Venezuela,die Insel des Erdölreichsten Landes der Welt hängt zu 100% vom Tourismus ab. Was aber wollen Touristen heute?: 1. direckt nach Porlamar fliegen nicht via Caracas, 2. Die Möglichkeit haben mit einer internationalen KK zu bezahlen, 3. mehr Sicherheit haben vor Malandros und Roberosund Ladrones, 4. das Touristen Segment muss neu definiert werden, denn junge Leute brauchen schnelles Internet 24 Stunden am Tag, sonst kommen sie nicht. 5. Von Personal bedient werden das nicht nur Spanisch spricht. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies auch für Sri Lanka gilt. Liebe Grüsse, Sepp

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