Tatort „Betriebssystem“ – ein Computerkrimi.

Vor ein paar Monaten erhielt ich einen Computer ohne Betriebssystem. Klar, dass da Linux drauf muss! Schon nur des niedlichen Pinguins wegen, der das Wahrzeichen von Linux ist.

Vielleicht finden Sie das Thema langweilig und einschläfernd, aber es hat durchaus gesellschaftliche Relevanz, wenn man bedenkt, dass über 76 % der Benutzer mit Windows arbeiten, gegenüber 17 % mit einem Apple-Betriebssystem. Das stellt wirtschaftliche Macht zur Disposition. 

Was Betriebssysteme mit einer heissen Bouillon zu tun haben, das Neue tatsächlich ganz alt ist und das vermeintlich Alte zum Feinsten gehört

Kommt die ewige Diskussion um „den richtigen Computer“ dazu. Vor allem die Apple-Benutzer sind da recht aggressiv und werfen Windows vor, es sei eine „Dampfmaschine“. Beides sind proprietäre und weitgehend geschlossene Systeme, mit deren Macken man leben muss. Da sind die Hersteller wie eine Grossbank mit Millionen von Kunden: wenn einzelne unzufrieden sind, juckt das den Konzern ganz und gar nicht.

Aber klar, Sie haben recht: was kümmert mich das Betriebssystem des Arbeitswerkzeugs „Computer“? Wunderlich genug, dass so ein Betriebssystem vom Benutzer überhaupt wahrgenommen wird und nicht transparent ist. Bei einer Waschmaschine weiss man auch nicht, was für ein Betriebssystem sie hat. Vielleicht ist ein Computerbetriebssystem eher vergleichbar mit dem Heizsystem zum Kochen. Da gibt es im wesentlichen Gas, Elektrisch und Induktion (ja, die ist auch elektrisch; gemeint ist natürlich elektrische Wärmeerzeugung mal per Widerstand und mal per Induktion). Im Allgemeinen kümmert sich ein Koch nicht darum, wie die Wärme erzeugt wird, die er braucht, um aus einem Liter Wasser eine vortreffliche Bouillon zu kochen. Ein bisschen etwas muss man aber doch beachten. Z.B. eignet sich nicht jede Pfanne für ein Induktionssystem. Und eine Glaskeramikplatte ist träger als ein Gasbrenner. Aber sonst ist für eine Köchin alles einerlei. Sicher! So sollte es auch beim Computer sein. Er ist mit dem Kochherd vergleichbar und das Betriebssystem mit dem Wärmeerzeugungssystem „Gas“, „elektrisch“ oder „Induktion“.

Das, was drauf kommt – die Pfanne mit dem Inhalt – das sind die Programme, z.B. Textverarbeitung, Buchhaltung, Fotobearbeitung. etc.  Es ist ja schon mühsam genug, die Bedienung eines solchen Programms zu erlernen. Gewisse – vor allem professionelle – Programme sind sehr kompliziert und erfordern eine lange Einarbeitungszeit. Da sollte man nicht noch mit den Unbegreiflichkeiten eines Betriebssystems belästigt werden.

Das war sicher eines der Ziele von Apple, als sie einen Volkscomputer entwickeln wollten, der für alle einfach zu bedienen ist und den Benutzer vor den Unergründlichkeiten eines Betriebssystems bewahren sollte. Nur leider ist dieses Ziel der Zeit weit voraus. Im Moment spuken zuweilen auch MacIntoshes und dann braucht es eine Expertin, um sie wieder auf die rechte Bahn zu bringen. Mir war dieses Verdecken von Betriebsroutinen nie geheuer, weshalb ich mich nie für Apples Geräte begeistern konnte. Ich will wissen, was passiert und nötigenfalls eingreifen (meinen zu können). 

Vielleicht wird es eines Tages Computer mit einem Betriebssystem geben, das dank künstlicher Intelligenz tatsächlich autonom laufen und sich selber reparieren kann, falls mal was Dummes passiert. Aber das dauert wohl noch eine Weile. 1985, als Windows geboren wurde und auch 2001, als Apples Betriebssystem MacOS das Licht der Welt erblickte, war künstliche Intelligenz nicht mehr als eine Vision. Die Tatsache, dass MacOS 16 Jahre jünger ist, als Windows, könnte erklären, weshalb letzteres vor allem bei jungen Leuten beliebter ist. Dabei ist MacOS bloss eine Variante des ältesten Betriebssystems, das es überhaupt gibt, nämlich Unix. Die wenigsten wissen, dass mit Windows NT auch Microsoft ein neues, jüngeres Betriebssystem im Markt einführte. Aber weil der Name „Windows“ weitergeführt wurde – marketingmässig eine Meisterleistung – bemerkten es nur die wenigsten und glauben, das moderne Windows sei vergleichbar mit dem „alten“ Windows.

Wie sich die Computerhersteller frassen und selbst gefressen wurden, etwas Gutes dennoch überlebte und aus einem Samenkorn ein Wald wurde.

In den 90er Jahren war „Virtual Memory System“ (VMS) des zweitgrössten Computerherstellers DEC (nach IBM) das wohl fortschrittlichste und attraktivste Betriebssystem. Bill Gates von Microsoft warb den Entwickler von VMS ab und versprach ihm interessante Arbeitsbedingungen, wenn er Windows im Sinne von VMS aufpeppen würde. Daraus entstand dann eben das neue Windows NT, dem Publikum besser bekannt als „Windows 2000“, „Windows XT“ und deren Nachfolger. Diese Betriebssysteme waren so erfolgreich, dass DEC Microsoft verklagte. Die beiden einigten sich dann aber auf eine Art Zusammenarbeit. 1998 verschwand DEC sang und klanglos von der Bühne der Computerhersteller und wurde von Compaq geschluckt, die 4 Jahre später von HP geschluckt wurde. Aber VMS lebt im heutigen Windows weiter!

Bereits 1991 führte Linus Thorwald sein Linux ein. Das besondere daran ist, dass es ein Open Source Projekt war, d.h. es ist öffentlich, für alle verfügbar und kann von jeder Person und Organisation beliebig geändert und genutzt werden. Solche Open Source Programme gibt es mittlerweile zuhauf. Sie stellen einen enormen volkswirtschaftlichen Wert dar! 

Weil Linux für alle frei zugänglich war und ist, aber auch, weil Thorwald nicht ein fertiges System, sondern eher nur einen ersten Draft zur Verfügung stellte, begann nun ein fröhliches Weiterentwickeln. Es wurde fast zu einem Volkssport, neue Linuxvarianten bereitzustellen. Mittlerweile gibt es unzählige Varianten. Eine heisst Debian, die alleine etwa 200-300 Unterarten hat. Eine wichtige Unterart von Debian ist Ubuntu, das wiederum zahlreiche eigene Distributionen hat, mit klingenden Namen, wie Mint, Pop!-OS, Manjaro, Epidemic. Muslim Edition, Peppermint, Dream, Musix oder BOSS.   Schauen Sie sich diese Vielfalt an! Das Bild stammt aus dem verlinkten Wikipedia-Artikel:

In den ersten Jahren dieses Jahrhunderts mischte Linux und die Open Source Bewegung die Welt der Computer mehr auf, als es heute wahrgenommen wird.

Die zunehmende Attraktivität von Open Source Software hat dazu geführt, dass immer mehr kommerzielle Firmen explizite Open Source Strategien verfolgen, dieses Konzept zumindest aus Marketinggründen unterstützen, und teilweise auch selbst Entwicklungsbeiträge zu Open-Source-Projekten leisten (IBM, HP, Sun, Intel, etc.) 

Markus Pasche, Sebastian von Engelhardt schrieben in Volkswirtschaftliche Aspekte der Open-Source-Softwareentwicklung:

Wie der Protagonist beim ersten Date mit Linux einen Korb bekam, sich beleidigt zurückzog, aber dann mutig einen zweiten Anlauf nahm und die Angebetete schliesslich in die Armen schloss

Doch bald gewann Linux an Beliebtheit. Schon 2004 schrieb die Frankfurter Allgemeine unter dem Titel Linux ist sexy:

Das marktführende Betriebssystem Windows des Softwarekonzerns Microsoft … spielt in den Augen der Open-Source-Verfechter zunehmend die Rolle einer alternden Diva: Windows gilt ihnen als zu statisch, unflexibel und zu teuer.

2003 – 2006 war die Zeit, in der Linux zur Kenntnis genommen wurde. Microsoft nahm damals an, Linux sei die größte Gefahr für Windows und begann mit einer Kampagne, um Windows bei einer Gegenüberstellung mit Linux technisch wie wirtschaftlich gut aussehen zu lassen. 

Auf meinem neuen Computer, der so gross ist wie ein Zigarrenkistchen – ok, stellen Sie sich herrschaftliche, dicke Zigarren vor – hatte ich zuerst ganz aufgeregt Ubuntu installiert, wechselte aber dann doch wieder zu Windows, weil  ich nicht alle Geräte anschliessen konnte (entweder hatte ich kein WLAN oder kein Bluetooth). Aber es wurmte mich immer, und neulich machte ich dann doch wieder einem Versuch, der in der erfolgreichen Installation von Linux Mint endete. Nun bin ich also stolzer Betreiber eines Linux Systems. Was ich davon habe? Nix als Linux! Es gibt im Web zahlreiche Artikel, die zu begründen versuchen, warum Linux besser sei als Windows, z.B. 11 Gründe, warum Linux besser ist als Windows. Aber keines der Argumente sticht wirklich. Vielleicht wird das Betriebssystem der Zukunft tatsächlich auf Linux basieren. Dann habe ich die Befriedigung, mich bereits jetzt mit der Zukunft zu beschäftigen. Das ist dann aber auch gerade alles, bis auf die Tatsache, dass Linux einfach sexy ist.

2 Antworten auf „Tatort „Betriebssystem“ – ein Computerkrimi.“

  1. Lieber Peter
    wie immer muss man wissen nach was man sucht.
    Google doch mal nach: “

    windows linux kernel update

    Und finde:
    Does Windows have a Linux kernel?

    Microsoft just released a new Windows 10 Insider Preview build featuring the Windows Subsystem for Linux 2. WSL 2 includes a real Linux kernel that lets you run more Linux software on Windows and with better performance than WSL 1.12.06.2019

    Und dann noch den da und dann bist Du am Ball.

    https://www.theverge.com/2020/5/27/21271655/microsoft-windows-10-may-2020-update-download-available

    Liebe Grüsse
    Sepp Stadelmann

  2. Lieber Josef

    Vielen Dank für Deinen Hinweis! Ich kenne das. Das gibt es ja seit dem Windows Insider Build 18917 und ich bin schon bei Build 21301.

    WSL2 läuft auf Hyper-V in einem virtualisierten Terminal und bietet ein Linux light. Vermutlich ist nur ein zeilenoriertes Terminal vorhanden. Du musst es speziell aufrufen und danach ist es ratsam, zu rebooten, weil das Windows dann auch virtualisiert ist. Ich weiss eigentlich nicht, wozu das gut sein soll. Das Umgekehrte macht schon mehr Sinn: Unter Linux ein virtuelles Windows aufzurufen, um Windows Executables laufen zu lassen.

    Ja, die Entwicklungen auf diesem Gebiet sind spannend!

    Herzlichst,
    Peter

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