Nassim Taleb hat ein neues Buch herausgegeben und Andreas Zeuch hat es löblicherweise rezensiert1.
Warum braucht es so viele Bücher, bis wir verstehen, wie’s gemacht werden sollte?
Aber eigentlich hätte der Schwarze Schwan, den Taleb 2007 herausgegeben hatte, genügen müssen. Er hat darin alles gesagt, um die Welt zum Besseren zu führen. Warum geschieht das nicht? Warum bedarf es von Taleb und vielen anderen Autoren noch ein Buch und noch eins? Unzählige Blogger erzählen täglich dasselbe in ihren Worten und dennoch hört es keiner, wie man meinen könnte. Seit Jahren lehren Dozenten in wirtschaftswissenschaftlichen Vorlesungen die angehenden Manager, worauf es ankommt und wie man Unternehmen nachhaltig führt. Trotzdem machen alle weiter, wie bisher. Warum?
In seinem neusten Buch weist Taleb darauf hin, dass in der Natur alle Systeme Redundanzen enthalten. Selbst Menschen habe zwei Nieren und zwei Lungenflügeln, obwohl man mit einer Niere leben könnte. Redundanzen machen ein System robust gegenüber Störungen aus der noch unbekannten Zukunft. Nehmen wir einmal an, ein Manager hört dies und baut in seinem Unternehmen Redundanzen ein, entgegen der immer penetranter werdenden Forderung nach lean management. Unser Manager verhält sich also asynchron mit dem Trend. Alle anderen Manager räumen Redundanzen in ihrem Unternehmen ab und machen es schlank. Sie sparen ein, was immer eingespart werden kann. Dadurch haben sie unserem Manager gegenüber einen Vorteil und lassen ihn im Regen stehen. Unser Manager muss bald aufgeben und sein Unternehmen dicht machen, es sei denn, es passiert ein sehr sehr einschneidendes Ereignis, das alle schlanken Unternehmen wegfegt. Dann würde unser Manager mit seinem Unternehmen oben auf schwimmen. Aber ein solches Ereignis ist eben unwahrscheinlich und kommt vielleicht erst, wenn unser Manager schon lange Pleite ist.
Können wir die Empfehlungen überhaupt anwenden?
Taleb weist in seinem Buch auch darauf hin, dass grosse Unternehmen verletzlicher seien und grössere volkswirtschaftliche Risiken umfassen. Ich habe in meinem Buch „Projektdynamik – Komplexität im Alltag“ darauf hingewiesen, dass Weltkonzerne überhaupt nicht führbar sind2. Dennoch kommt es immer wieder zu Zusammenballungen. Firmen kaufen andere Firmen auf, bis sie dick und krank sind. Wer ist denn der Sündenbock? Wer entscheidet die Übernahme oder die Fusion? Es ist nicht ein einziger ignoranter Manager. Es ist gar nicht möglich, den einen Schuldigen zu identifizieren. Das sind immer Kollektiventscheidungen, die in zahlreichen Sitzungen verschiedener Führungsgremien gewachsen und diskutiert wurden. Von wegen „Schwarmintelligenz“! Meistens wächst eine Übernahmeidee auf einem Sachzwang und ist nicht einfach nur Hegemonialstreben. Schliesslich haben die Entscheider das Gefühl, nicht mehr anders zu können, auch weil verschiedene Stakholdergruppen mittlerweile erwarten, dass zugunsten der Fusion entschieden wird. Teils ziehend, teils wurden sie gestossen…. Das Phänomen ist unter dem Namen „Abilene-Paradoxon“ bekannt 3.
Wer schon einmal auf der Autobahn in einem Stau gestanden hat, weiss, was Pfadabhängigkeit bedeutet
Alle unsere schönen Philosophien, wie man es besser machen könnte, bleiben gutgemeinte Empfehlungen. Sie übersehen Pfadabhängigkeiten, die es nicht erlauben, auszubrechen. Zeuch endet seine Rezension mit dem Satz:
Alle, die sich gerne weiterhin ihrem Realitätsverlust hingeben, Zukunft und Risiken seien messbar und kalkulierbar, sollten es auch lesen – aber nur, wenn sie bereit sind, lieb gewonnene Annahmen zu verabschieden
Ist die Realität tatsächlich verlustig gegangen? Ich glaube, wir hatten sie noch gar nie. Und sogar, wenn ich bereit wäre, lieb gewonnene Annahmen zu verabschieden: man lässt mich nicht.
1Zeuch, Andreas. Der Schwarze Schwan – Konsequenzen aus der Krise. Zeuchs Buchtipps, Dezember 2012.
2Addor, Peter. Projektdynamik – Komplexität im Alltag. Liebig Verlag. Frauenfeld 2010.
3Wikipedia. Abilen-Paradox. Letzter Zugriff: Dezember 2012