Vielleicht sollte ich wieder einmal darauf hinweisen, dass Komplexität eine eher willkommene Sache ist, und dass das, was uns in Projekten und Management zu schaffen macht, sich meistens nicht um Komplexität handelt. Was uns jeweils Kopfzerbrechen bereitet sind
- unterschiedliche Interessen und Auffassungen der Stakeholders
- Turbulenzen im Ablauf
- mehrdeutige und widersprüchliche Informationen
- Unordnungen und Verwicklungen von Ereignissen oder Dingen
In solchen Momenten möchten wir am liebsten aus der Haut fahren und beklagen uns über die Komplexität der Situation oder des Projekts. Die vier Punkte haben aber weniger mit Komplexität zu tun, als vielmehr mit etwas, das man gemeinhin als Entropie bezeichnet. Sie entsteht als Begleiterscheinung beim Aufbau von Komplexität1.
Komplex sind z.B. unser Gehirn und unser Bewusstsein. Niemand würde die Komplexität von Gehirn und Bewusstsein beklagen. Zum Glück sind diese beiden Objekte komplex. In der Komplexität liegt stets eine hohe (aber oft nicht sehr stabile) Ordnung. In diesem Sinne ist es die vornehmste Aufgabe eines Projekts, die Welt ein wenig komplexer und geordneter zu machen. Komplexität hat daher nichts mit Unordnung und Turbulenz zu tun.
Niemals wollen wir Komplexität reduzieren! Was wir reduzieren wollen, sind Turbulenz, Widerspruch und Unordnung. Wenn wir Komplexität aufbauen (z.B. bei der Einführung eines neuen Geschäftsprozesses), müssen wir dem System Unordnung entziehen, die uns dann prompt verunsichert. Es ist ein gutes Zeichen, wenn wir in einem Projekt Unordnung und Turbulenz erfahren. Das beweisst, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
1P. Addor. Projektdynamik – Komplexität im Alltag. Liebig Verlag; Frauenfeld 2010