Bildbeschreibungen

Wenn ich meine Fotografien in Instagram, Flickr oder Eyeem veröffentliche, werde ich aufgefordert, das Bild zu beschreiben. Viele machen das nicht und überlassen sogar die Benennung des Bildes ihrer Kamera. So heissen sie denn DSC_1836442 oder Z6F_6496. Diese Fotografen machen sich auch keine Mühe, das Bild zu bearbeiten, zu beschneiden oder ihrem persönlichen Stil anzupassen. Sie überlassen sogar die Berechnung der „Realität“ der Kamera.

Die Bildbeschreibung macht mir oft Mühe. Was soll ich schreiben? Die Leichtigkeit und Professionalität, mit der Kunstkritiker Bilder beschreiben, faszinierte mich schon immer, z.B. bei „Kunst und Krempel“ des BR Fernsehens. Kann man das lernen? Gibt es eine „Wissenschaft“, die sich Bildbeschreibung befasst? Im Sprach- und Kunstunterricht wird das doch geübt. Und wozu dient ein Blog besser, als für solche Übungen? Also suche ich im Web nach Erklärungen, wie man fachmännisch ein Bild beschreibt. Es gibt viele Seiten, die sich mit Bildbeschreibung befassen. Zum Glück lässt sich ein roter Faden erkennen, dem fast alle folgen. Einige unterscheiden „Bildbeschreibung“ und „Bildanalyse“.

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Warum interessiere ich mich für Bildbeschreibung? Stefanie Nölle schreibt es so:

Eine Bildanalyse ist nicht nur für die Schule gut. Wer in der Lage ist andere Bilder zu analysieren und zu beschreiben kann seine eigenen Bilder kreativer gestalten und entwickelt ein besseres Verständnis dafür wie Bilder aufgebaut sind. So überlässt du deine Bildwirkung nicht mehr dem Zufall!

Zeichnen lernen

Was für’s Zeichnen recht, ist für’s Fotografieren billig, meine ich! Wenn ich Fotos – sowohl die von anderen Fotografen als auch meine – beschreibe, muss ich ihnen erhöhte Aufmerksamkeit entgegen bringen, wodurch mir bewusst wird, was auf mich wie wirkt. Ich lerne durch die Bildbeschreibung von guten Fotos, die andere gemacht haben, was mich an ihnen fasziniert. Durch die Beschreibung meiner eigenen Fotos lerne ich mich selber besser kennen.

Ich möchte mich hier an meinen eigenen Bildern versuchen. Dabei halte ich mich zunächst an ein Beschreibungsschema, wie es in wortwuchs vorgeschlagen wird. Das Schema schreibt drei Teile vor:

  • Einleitung: Bilddaten (Thema, Art, Titel, Datum, Ort)
  • Hauptteil: eigentliche Beschreibung
    • Perspektive
    • Vordergrund
    • Mittelgrund
    • Hintergrund
    • Bildgegenstand
    • Bildaufbau
    • Darstellungsweise/Stil
  • Schluss: Zusammenfassung

Der Bildbeschreibung kann eine Bildanalyse folgen.

Meine erste Bildbeschreibung

Ich habe eine Menge unveröffentlichter Fotos, zu deren Veröffentlichung ich hier im Rahmen meiner Beschreibungsübungen Gelegenheit habe. Beginnen will ich hier mit einem Foto, das mir unbekannte Personen zeigt.

Einleitung

Das Foto „Später Nachmittag“ entstand am 15. Januar 2019, um 17:40 Uhr. Es zeigt eine Strandszene, ein Touristenpaar, das parallel zu der Meeresbrandung in die Sonne läuft und ein Einheimischenpaar, das frontal zu der Brandung steht. Die noch relativ hoch stehende Sonne reflektiert sich gelb im nassen Sand. Über dem Strand liegt ein leichter Gischtnebel.

Ist jetzt diese grobe Beschreibung für die Einleitung schon zu detailliert? Den Titel habe ich eben gerade erfunden. Ich vergebe meinen Fotos bei deren Erstveröffentlichung stets einen Titel, der durchaus einfach, wenn nicht sogar nichtssagend sein kann. Der Titel hat bloss eine mnemonische Funktion und muss das Bild bezeichnen können, wenn davon die Rede ist.

Hauptteil

Das Foto gehört zum Genre „Strandfotografie“ . Auffallend ist der sich perspektivisch verengende Strandabschnitt, der links von der Brandung begrenzt wird sowie zwei Paare, die die Aufmerksamkeit des Betrachters in Beschlag nehmen. Ein Touristenpaar bildet das Zentrum des Bildes, während ein Einheimischenpaar ganz aussen am rechten Bildrand steht. Die Körperhaltung der beiden Paare ist ikonografisch.

Soviel zum Bildgegenstand. Dieser Abschnitt gehört meines Erachtens an den Anfang des Hauptteils und nicht, wie es wortwuchs vorschlägt, erst nach der Detailbeschreibung von Vorder-, Mittel- und Hintergrund.

Das Bild wurde aus dem Stand oder gar aus der Hocke geschossen. Es zeigt einen tropischen Meeresstrand, was an den Palmen zu erkennen ist, die zum Waldgürtel gehören, der das Bild im Hintergrund begrenzt. Über dem Wald bricht die Sonne direkt aus einem leichten Nebel hervor. In der Mitte des Bildes ist ein Paar zu sehen, welches wohl Touristen sind (Warum vermute ich das? Woran will ich das erkennen?). In der Mitte links sieht man die Brandung, unscharf zwar, aber dennoch lässt das Bild den Schluss zu, dass sie ziemlich heftig ist, denn über der ganzen Szene liegt ein Schleier von Gischt, was bei einer sanften Brandung nicht sein könnte. Man sieht auch an den Nässezungen im Sand, dass die Brandung kräftig sein muss, denn sonst wäre der Strand nicht bis weit hinauf derart benetzt. Die Nässezungen wirken wie Spiegeln, in denen sich die noch gelbe Sonne reflektiert und den Betrachter blendet. Sogar die Köpfe des Touristenpaares sind im Nass abgebildet. Im Vordergrund ganz rechts steht am Ende einer Nässezunge ein anderes Paar. Ich vermute, dass es zwei Sri Lankis sind. Es scheint, als würden die beiden dem Touristenpaar nachschauen.

Das Bild ist so komponiert, dass der Strand die Hauptbühne bildet. Das Meer ist grösstenteils abgeschnitten und nur gerade soviel zu sehen, dass sich der Betrachter die Weite des Ozeans vorstellen kann. Das Hauptmotiv sind die beiden Paare. Sie sind vom Sandstrand und den Nässezungen eingerahmt. Die Strandbühne ihrerseits wird durch den tropischen Waldgürtel eingerahmt. Die reflektierende Sonne unterteilt das Foto in eine linke Hälfte mit dem Meer und eine rechte Hälfte mit dem trockenen Sand und dem Einheimischenpaar. Nebst dieser Achsensymmetrie gibt es eine Zentralsymmetrie, die vom Touristenpaar in der Bildmitte ausgeht. Der Wassersaum des Meeres führt das Auge zu einer auffälligen Palmengruppe im Hintergrund.

Trotz Sonne gibt es keine nennenswerte Schatten. Das könnte daher kommen, dass das Bild hell und pastellig ist. Es ist eine Gegenlichtaufnahme und könnte daher etwas überbelichtet sein, um den Paaren dennoch etwas Struktur zu geben. Diese Überbelichtung und der Brandungsgischt dämpfen Schatten ab. Dennoch hat das Bild eine gewisse Tiefe. Das Foto wurde mit einer Nikon D5600 aufgenommen, Blendenzahl F/5, 250 ISO und einer Belichtungszeit von 1/500 Sekunde. Die Brennweite betrug 70 mm.

Zusammenfassung

Die pastellfarbige Strandszene mit den beiden Paaren, über denen ein leichter Gischtnebel liegt, lädt zum Ausdenken einer Geschichte ein. Z.B. scheint es, als ob die beiden Sri Lankis den Touristen nachschauen würden. Sind sie skeptisch und wünschen die Touristen in ihr Ursprungsland zurück? Sind sie neidisch und möchten mit den Touristen tauschen? Freuen sie sich über das Touristenpaar und über die Perspektiven, die Touristen mit sich bringen? Ikonografisch ist die Tatsache, dass das Touristenpaar in Bewegung ist, während das Einheimischenpaar ruht. Touristen ziehen ja auch durch, Einheimischen bleiben hier.

Phuu, so genau habe ich meine Bilder noch nie betrachtet. Aber es macht Spass und ich lerne sehr viel dabei. Vielleicht könnte man die fotografischen Daten noch etwas analysieren. Eine sogenannte Bildanalyse lasse ich zunächst noch weg. Zum einen würde es den Rahmen dieses Betrags sprengen und zum anderen ist es schwer, die eigenen unbewussten Motive zu beurteilen.

Nachtrag: Bitte schreiben Sie mir in einem Kommentar, was Sie sehen, das ich nicht beschrieben habe, was in meiner Beschreibung übertrieben ist oder zu wenig zur Geltung kommt und was subjektiv ist und allenfalls in den dritten Teil gehört. Um solche Kommentare bin ich sehr dankbar!

6 Antworten auf „Bildbeschreibungen“

  1. Lieber Peter
    ein Bild sagt mehr als tausend Worte!
    Ein alter Spruch, neu aufgelegt für Dich. Lass Deine schönen Bilder für sich selber sprechen. Gib allenfalls an wo das war auf der Welt. Nur wenig Information oder was unbedingt sein muss. Den Rest erledigen die Bilder von selber.
    Liebe Grüsse
    Sepp

  2. Lieber Peter
    ich schliesse mich dem Kommentar von Josef Stadelmann an. Weniger ist besser, finde ich. Deine Bilder sind sehr schön und erzählen für jeden Betrachter eine eigene Geschichte. Deine Bildbeschreibungs Beispiele würde ich, in all ihrem Umfang, allenfalls als Bildbeschreibung für Sehbehinderte in Betracht ziehen. Dort könnte es Sinn machen.
    Liebe Grüsse
    Martin

  3. Ja, danke, Ihr zwei. Ihr habt vom STandpunkt des Betrachters her recht.

    Aber darum geht es nicht. Jeder bildende Künstler muss seine Bilder und die anderer beschreiben und kritisieren können. Ich muss wissen, was ich fotografiere und warum. Bilder, die mir gefallen, gefallen oft dem Publikum weniger und umgekehrt. Eine tiefgreifende Bildbeschreibung hilft, herauszufinden, warum das so ist.

  4. Lieber Peter,
    will ich einen von mir geschriebenen Text beschreiben, dann weiß ich bereits bevor ich den Schreibprozess beginne oder spätestens im Moment des Schreibens selbst, warum ich welches Stilmittel mit welcher Absicht verwenden will.
    Ist das bei Fotos nicht dasselbe? Im Nachhinein ein Foto zu beschreiben, klingt für mich in deinem Zusammenhang ein wenig, von hinten aufgerollt?

    Ich fand es sehr spannend deine Gedanken zu lesen. Währenddessen hab aber auch die ganze Zeit die Frage gespürt: Warum willst du ein Bild beschreiben, das du vielleicht ganz spontan ohne dir viele Gedanken zu machen, aufgenommen hast? Für mich klingt das sehr konstruiert, allerdings, stellt man den Prozess an den Anfang, ergibt es durchaus Sinn, oder?

    1. Liebe Jana

      Vielen Dank für den interessanten Kommentar. Vielleicht hast Du nur die Beschreibung gelesen, nicht aber den Rest des Blogartikels, in welchem ich meine Motivation erklärte. Ich erinnere mich nicht, jemals systematisch Bildbeschreibungen gemacht zu haben. Du hast da sicher mehr Routine. Ich muss das jetzt aber zuerst lernen und üben. Also war meine erste Bildbeschreibung eine reine Übung, wozu ich natürlich nicht ein fremdes Bild nahm. Ich habe mittlerweile drei oder vier eigene und zwei oder drei fremde Bilder beschrieben und fühle mich etwas sicherer. Darf ich einmal eine Deiner Fotografien beschreiben?

      Bildbeschreibungen sind sicher eine Grundfähigkeit, die an jeder Kunstakademie gelehrt wird. Ich denke, wer sich mit bildender Kunst beschäftigt, muss in der Lage sein, die eigenen als auch fremde Bilder systematisch beschreiben zu können. Wie Du richtig sagst, machen wir oft ganz spontan ein Bild, ohne uns viele Gedanken zu machen. Also ist es doch legitim zu fragen, was zum Teufel wir da eigentlich eingefangen haben. Ich bin jedenfalls manchmal erstaunt, was auf meinen Bildern zu sehen ist (oder nicht zu sehen ist), wenn ich sie mir genauer ansehe.

      Wie ist denn das bei Dir? Du weisst immer, was Du aufgenommen hast? Da Du mit Bildbeschreibungen wahrscheinlich eher vertraut bist, als ich, analysierst Du Deine Bilder wahrscheinlich ganz automatisch. Ich muss das zuerst ganz bewusst machen.

      Zudem habe ich ja geschrieben, dass ich bei jeder Veröffentlichung in Verlegenheit gerate, wenn ich das Feld „Description“ ausfüllen muss. Vielleicht ist Dir aufgefallen, dass ich seither meine Veröffentlichungen besser beschreiben kann.

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