Das Unvorhergesehene in Projekten bringt uns in ein Dilemma. Sollen wir es antizipieren und Pufferzeiten einplanen sowie zusätzliche Ressourcen, wie Coaches, Mentors, spezielle Risikomanager oder Reviewers einsetzen, oder sollen wir höchstens knappe Pufferzeiten einplanen und nur mit den allernötigsten Ressourcen fahren? Im ersten Fall ist der Projekterfolg (und die unangetastete Marge) wahrscheinlicher. Dafür müssen wir das Projekt vielleicht so teuer anbieten, dass die Konkurrenz den Zuschlag erhät. Im zweiten Fall erhalten wir war den Zuschlag und können loslegen, geraten aber unweigerlich in Sümpfe, in denen wir wahrscheinlich unsere Marge verlieren.
Ich habe versucht, das Dilemma als Goldratts Dilemmawolke zu visualisieren1. Sie ist von unten nach oben zu lesen, also von 1 bis 6. Es schält sich der Gegensatz zwischen „lean“ und „substantial“ heraus. Die Vertreter des „lean managements“ könnten argumentieren, dass sie lieber ständige Beschäftigung in unrentablen Projekten haben, statt herum zu sitzen, weil sie ehrliche Angebote machen und diese verlieren.
Diese Situation ist der tiefere Grund dafür, dass die Mehrheit der Projekte missraten, also entweder abgebrochen werden oder mit beträchtlichen Zeitverzügen und Mehrkosten enden. Eine Unternehmung mit einer Zertifizierungskultur wird immer den schlanken Weg gehen und in ihren Projekten viel Geld verlieren. Eine lernende Unternehmung wird immer den substantiellen Weg gehen und wenige Aufträge haben. Aber solche Unternehmungen gibt es in der Realität ja nicht.
1 s. z.B. http://www.toc4u.de/wiki/Kernkonfliktwolke. Leider werden die Denkwerkzeuge der Theory of Constraints (TOC) nie wirklich ausführlich erklärt. Goldratt selbst geht in seinen Romanen sehr spärlich mit Abbildungen und Erklärungen um. Und Uwe Techts Broschüre „Goldratt und die Theory of Constraints“ (2006 im Selbstverlag ohne Ortsangabe) ist so „lean“ gehalten, dass keine algorithmische Anleitung der Denkwerkzeuge Platz fand.
Im Allgemeinen führen ja nicht nur zwei sich widersprechende Wege zum Ziel. Ich hätte deren drei zeichnen können: einen „lean“ einen „substantial“ und einen, der die Notwendigkeit der knappen Berechnung fordert, weil sonst der Zuschlag ausbleibt. So musste ich nun alles in zwei Wege verpacken, was dazu führt, dass das Dilemma verbal nicht ganz klar ist.