Rentnerlernen

Ich habe den Eindruck, noch nie in meinem Leben so intensiv gelernt und derart unmittelbar dieses Lernen wahrgenommen zu haben, wie in der jetztigen Lebensphase. Das kann verschiedene Gründe haben: einerseits habe ich endlich (wieder) Zeit zum Lernen und werde nicht ständig fremdbestimmt zum Weitergehen gedrängt. Andererseits bin ich in den letzten zehn Jahren immer mehr in eine Bildungs- und Lerncommunity hineingewachsen und reagiere deshalb sensibel auf Lernprozesse, wie ich sie bei mir beobachte. Bulimielernen versus trial-and-error-Lernen Zwei Lernarten beobachte ich: einerseits das „Schullernen“ (auch schon mal „Bulimielernen“ genannt), wo es darum geht sich hinzusetzen und z.B. eine Stunde lang […]

Veränderungen lernen

Ende 2016 wollten wir von Bangkok nach Penang, von Thailand nach Malaysia, umziehen. Wir nahmen uns dafür knapp 3 Wochen Zeit, blieben in Phuket eine Woche, setzten den Weg via sechs Inseln in der Andammanensee fort und blieben auf jeder Insel je zwei Tage. Damit mussten wir durchschnittlich alle drei Tage eine neue Unterkunft beziehen, in einem anderen Bett schlafen, verschiedene sanitäre Einrichtungen bedienen und uns an gegebene Essgelegenheiten anpassen.   Die Veränderung wird zur Gewohnheit Wir stiegen natürlich – wie immer – in AirBnB ab und da weiss man nie so recht, was man antrifft. Jede Ankunft enthält Unsicherheiten. […]

Digitale Nomaden: Non fermarti a lovorare dove capita

Sie sind Kosmopoliten und dort zuhause, wo sie das Schicksal hin trägt. Sie arbeiten und rufen ihre Kunden per Skype an aus ihrer Klause. Sie ziehen weiter, wenn sie anfangen, zu grooven. Für sie ist Lernen Arbeit und Arbeit ist Lernen. Sie lernen, dass alle Menschen gleichsam bangen und sich freuen, während sie an fernen Stränden ihre Kunden betreuen. Umherziehen ist eine Abfolge von verweilen und aufbrechen, was ihre Veränderungsbereitschaft mehrt. Sie müssen immer wieder die Frage ansprechen, was der aktuelle Airbnb-Host sie wohl lehrt. Sie müssen nach Visen und SIMen schicken und gehen auf fremden Ämtern ein und aus. […]

Pull-Lernen: nicht in den Kopf hinein hämmern, sondern aufsaugen

In den Social Media Kanälen wird momentan auf das Interview mit dem dm-Gründer Götz Werner verwiesen, der darin sagte (1): Im Leben braucht man keinen Druck, sondern Sog. Wer fliegen möchte, braucht Thermik. Flugzeuge fliegen, weil Sog aufgebaut wird. Ich selbst bin Vater von sieben Kindern – die reagierten alle nur auf Sog. Kunden, die bei uns kaufen, kommen, weil sie Sog verspüren, nicht weil ihnen jemand in den Hintern tritt. Dass Menschen etwas aus sich heraus tun und nicht, weil sie unter Druck stehen, ist absolut richtig, auch wenn das Beispiel mit dem Fliegen schlecht gewählt ist. Ob die […]

Kompetenzen sind verschachtelt

Wir stehen kurz vor einer Kompetenzkatastrophe, wenn wir John Erpenbeck und Werner Sauter Glauben schenken wollen, die in Ihrem Buch «Stoppt die Kompetenzkatastrophe» behaupten, dass «das Wissensweitergabe- und Wissensbeurteilungssystem unerschütterlich zu sein scheint» (1). Erpenbeck und Sauter möchten mehr Kompetenzen vermitteln, ein Anliegen, das in Anbetracht erhöhter Komplexität überaus berechtigt ist. U.a. nennen sie auch die Kompetenz systemischen Denkens und Handelns, was ich durchaus begrüsse. Das Buch ist ein Muss für alle diejenigen, die sich an der Bildungsdiskussion beteiligen, auch wenn es zuweilen etwas nötigend geschrieben ist. Ich denke, mit mehr Sachlichkeit hätten die beiden Autoren ihr Anliegen produktiver vertreten […]

Werden wir in Zukunft mehr Zeit zum Lernen haben?

In Kapitel 6 der «Digitalen Kompetenz» befassen sich Werner Hartmann und Alois Hundertpfund mit digitalen Tools und weisen auf das Dilemma hin, entweder sich im Tool-Dschungel oder den Anschluss an das digitale Zeitalter zu verlieren (1). Das didaktische Hauptproblem Die Lösung der didaktischen Hauptproblematik liegt jedoch nicht in der Computerisierung begründet und hat nichts mit digitaler Kompetenz zu tun. Lernen heisst Fragen stellen und sie mit anderen diskutieren Ideen ausprobieren, verwerfen, weiterentwickeln und sie mit anderen teilen Mit ausdauernder Hartnäckigkeit forschen und experimentieren Dem Scheitern zum Trotz kreativ neue Wege ersinnen Vorhandenes Wissen zu neuem verknüpfen Lernen ist also Engagement! Lernen […]

Mit Modellen Komplexität verstehen

Im fünften Kapitel ihres Buches über digitale Kompetenz brechen die Autoren eine Lanze für Modellbildung (1). Es stimmt, dass komplexe Systeme nicht mehr berechenbar sind und daher numerische Methoden immer wichtiger werden. Komplexe Systeme können nur noch «ausprobiert», sprich «simuliert», werden. Dazu wird zunächst ein Modell des Systems benötigt. Ein Modell ist eine vornehmlich quantitative Beschreibung des Systems. Warum immer darauf hingewiesen wird, dass Modelle Vereinfachungen seien, ist mir nicht klar. Hartmann und Hundertpfund sprechen von «Weglassen von Details», wodurch die übergeordneten Strukturen sichtbar werden sollen. Mentale und explizite Modelle Wir sollten nicht vergessen, dass wir die Welt ausschliesslich durch […]

Die Kompetenz, mit Wissen relevantes Wissen zu kreïeren

Das Buch „Digitale Kompetenz“ von Werner Hartmann und Alois Hundertpfund beleuchtet zehn zentrale Fähigkeiten, die in der komplexen Welt des 21. Jahrhunderts unumgänglich sind. Ich werde jedes Kapitel des Buches zur Grundlage eines Blogartikels wählen und damit jedes Mal eine Kernkompetenz im Umgang mit Komplexität beschreiben. Solange es noch Entscheider gibt, die unter dem Paradigma sozialisiert wurden, dass Ausbildung Wissenserwerb sei, wendet sich das Buch (noch) eher an Hochschulen und Unternehmen, die ihre Mitarbeiter in selbstbestimmtem Lernen ausbilden müssen. Tiefgreifende Veränderungen innerhalb einer Generation Haben Sie die Meinung, dass man heute nichts mehr wissen muss, weil man alles im Internet – […]

Lernen, um Komplexität zu verstehen

Problemlösen in komplexen Systemen erfordert systemisches Denken, Verständnis für dynamische Systeme und hohes Systemwissen. Um dieses Wissen und Verständnis aufzubringen, muss laufend gelernt werden. Lernen ist eine zentrale Komplexitätsbewältigungsstrategie. Dabei ist aber nicht in erster Linie das passive Lernen „on the job“ gemeint, sondern das aktive, bewusste Lernen, das die ganze Aufmerksamkeit erfordert. In einem Fernstudenten-Blog habe ich folgendes gelesen: Zu meinem Leidwesen rückt die Klausur immer näher und ich bin natürlich mal wieder hinten dran. Ich habe es zwar in Summe auf 100 Lernkarten gebracht, welche ich versuche noch in den Kopf zu kriegen…. Mein Körper signalisiert [mir] etwas sorgsamer mit […]

Bei einem Ohr herein und beim anderen wieder hinaus

Am gestrigen EdChatDE auf Twitter liess ich mich zu der Behauptung hinreissen, dass Hörer (Lernende, Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten, Teilnehmerinnen und Teilnehmer, etc.) nicht lernen können, solange ein Wissender (Lehrender, Dozentin/Dozent, Lehrerin/Lehrer, Sprecherin/Sprecher, Vortragende/Vortragender, etc.) redet. Es wurde prompt reagiert. Die Tendenz lief Richtung Empörung. Niemand kann zuhören und gleichzeitig eigenen Gedanken nachhängen Jemand schreibt: „Ich habe andere Erfahrungen mit äußerst anregenden Rednern gemacht“. Klar, das gibt’s, und es ist ein Genuss, ihnen z.B. an einem Kongress oder an einem TED zuzuhören. Wenn der Vortrag jedoch wirklich so gehaltvoll ist, dann lohnt es sich, z.B. über jeden dritten Satz etwas länger […]