Alaska

An einem der ersten Tage in Alaska hat Barbaras Bruder Martin erklärt, dass wir einen Ausflug machen werden. Dazu sei der Anhänger mit dem massiven Stahlboot an den Pickup Truck an anzuschliessen. Gesagt, getan. Es wurden dann viele Ess- und andere Kisten eingeladen und „man“ wurde dazu angehalten, warme Kleidung einzupacken. Na, da waren wir aber gespannt!

Das Stahlboot musste mit

Der Knik Gletscher

Dann ging’s los. Die Fahrt dauerte nur etwa eine halbe Stunde. In der Nähe einer Brücke über den Knik River bogen wir von der Strasse ab und gelangten an’s Flussufer. Dort liess Martin das Boot zu Wasser und parkte den Pickup. Nach dem Anlegen der obligaten Schwimmweste nahmen wir auf dem Boot Platz und er fuhr mit uns flussaufwärts. Das war easy und erinnerte mich an eine Bootsfahrt auf der Aare, die durch die Stadt Bern fliesst. Doch bald änderte sich die Landschaft. Sie wurde wilder und wenig zivilisiert. Der Fluss verzweigte sich hundertfach und ich fragte mich, wie Martin wusste, welchem Flussarm er folgen musste. Irgendwo legte er an und bat uns, Schwemmholz zu sammeln. Bereits nach paar Minuten ging die Fahrt weiter und wir mussten schon bald Treibeis ausweichen. Nach ungefähr 90 Minuten Fahrt bogen wir um einen Mäander herum, was unvermittelt den Blick auf einen gewaltigen, im Sonnenlicht blauschimmernden Gletscher öffnete, dem der Fluss entsprang. Dieser Blick war atemberaubend. Wir waren ein paar Minuten sprachlos.

Der Anblick war atemberaubend!

Martin kurvte ein bisschen um die Eisblöcke herum und kratzte irgendwo etwas Eis ab, das er in einem Eimer sammelte. Dann legten wir an und stiegen ungefähr 20 Meter die riesige Moräne hoch. Oben angekommen mixte Martin mit dem zuvor gesammelten Gletschereis einen Grand Marnier Drink. Wer hat denn schon mal einen Drink aus jahrhundertaltem Gletschereis gehabt?! Dann machten wir mit dem gesammelten Treibholz ein Feuer und brieten Würste.

Wozu er wohl das Eis braucht?
Auf der Moräne
Abenteuerromanik über dem Gletscher

Zurück ging es dann flott…bis wir einerseits ein Kratzgeräusch vernahmen und andererseits eine starke Bremsung verspürten: wir waren auf einer Kiesuntiefe aufgelaufen! Zunächst versuchten wir, in langen Fischerstiefeln auszusteigen und das Boot mit Muskelkraft von der Kiesbank zu schieben. Ging nicht. Martin zerbrach ein massives Ruder, als er versuchte, es als Hebel einzusetzen. Das Bott sass endgültig fest und mit dem Smartphone hatten wir kein Netz.

Mir war etwas beklemmend zumute. Es war nicht möglich, das Ufer zu erreichen, weder watend noch schwimmend. Und die ganze Nacht hier zu verbringen, würde ich nicht überleben. Schliesslich wehte bereits bei Sonnenschein ein etwas bissiger Wind vom Gletscher herunter. Was tun? Ich winkte einem Helikopter, der neugierig über uns kreiste. In diesem Moment hatte Martin wieder ein Netz und erreichte seinen Sohn Rohn. Er gab dem Helikopter ein Zeichen, der daraufhin abzog. Nach ungefähr zwei Stunden Wartezeit kam Rohn mit einem befreundeten Paar und entsprechenden Werkzeugen und rettete uns. Glück gehabt! Danke, Rohn!

Bald brach die Dämmerung herein und ein kugelrunder Vollmond leuchtete uns nach Hause. Das war ein würdevoller Abschluss dieses abenteuerlichen Tages.

Nach der Rettung leuchtete uns der Vollmond die Nachhausefahrt aus.

Der Hatcher Pass

Ein paar Tage später lud uns Martins Frau Kathy ein, mit ihr und ein paar Freundinnen auf den Hatcher Pass zu wandern. Der Pass befindet sich zwischen dem Matanuska- und dem Sussnita-River, im sogennanten „Matsu Borough„. Das war eine Wanderung, wie in den Schweizer Alpen, allerdings war das Gelände etwas weiträumiger. Zudem hatte ich den Eindruck, dass die Baumgrenze viel tiefer liegt, als in den Alpen. Jedenfalls wanderten wir fast ausschliesslich oberhalb der Baumgrenze, obwohl die Passhöhe nicht einmal 1200 Meter hoch ist.

Grossarige Landschaft im Matsu Gebiet!

Fasziniert hat mich das Goldbergwerk, das angeblich wieder eröffnet ist. Ein Privatmann hat die Mine gekauft und überall Warnschilder aufgehängt, dass man das Gelände nicht begehen dürfe. Hoch oben sah ich den Mineneingang, vor dem ein Bagger Schutt wegräumte. Unser Abstieg führte dann in der Tat durch das Sperrgebiet und ich befürchtete, dass uns bald ein bulliger Sicherheitsmann stellen würde. Aber es ist nichts passiert. Kathy wusste es. Sie macht diese Wanderung jedes Jahr mehrmals.

Auf dem Hatcher Pass

Barbara und ich waren später nochmals in der Gegend und erklommen einen anderen Gipfel. Viele Berggänger, die wir kreuzten, hatte eine ominöse Spraydose griffbereit. Einmal sprach ich einen an und fragte danach. Man erklärte uns, das sei ein Bärenspray mit Capsicum, um sich gegen angreifende Bären zu verteidigen. Potz Teufel! Daran hatte ich nicht gedacht. Ach so, es gibt hier ja Bären! Ich las, dass die kleineren Schwarzbären in der Gegend scheuer und weniger angriffslustig seien, als die grossen, massigen Grizzlybären. Hmm, ja, das kann ich mir vorstellen. Ich möchte keinem der beiden begegnen!

Bärenbeobachtungen

Dennoch entschieden wir uns für einen abenteuerlichen Ausflug nach Homer, einer Stadt im Süden von Alaska, ca. 450 Km von Big Lake entfernt, also quasi vor der Haustür! Wir waren in einem „funny AirBnB“ untergebracht, wo auch gerade die Grosseltern der Hausbewohner zu Besuch waren. Manchmal sassen wir alle im Wohnzimmer und erzählten einander aus unserem Alltag.

Von Homer aus wollten wir mit eine, Boot den ca. 50 Km breiten Cook Inlet übersetzen, um auf dem gegenüberliegenden Ufer Bären zu beobachten. Der Ausflug war nicht gerade ein Schnäppchen. Noch teurer wäre es gewesen, den Cook Inlet mit einem kleinen Flugzeug zu überwinden, aber wir entschlossen uns zu der wasserbasierten Variante. Ganz in der Nähe liegt auch die bekannte Kodiak-Insel mit den gleichnamigen Bären. Aber dort grassiert der akute Tourismus und es war auch aus fahrplantechnischen Gründen nicht passend.

Das Boot wird zum Wasser gezogen

Item, wir fanden uns also zur verabredeten Zeit am Anchor Point westlich von Homer ein und warteten. Plötzlich kam ein Auto und der Fahrer machte sich an einem dort aufgebockten Schiff zu schaffen. Es stellte sich heraus, dass es unser Tourguide ist. Mit der Zeit kamen noch weitere Personen. Wir stiegen in das Boot, das hoch über der Strasse auf einem Anhänger aufgebockt war und bald von einem Traktor über den Strand zum Wasser gezogen wurde. Der Anhänger versank im Wasser und das Boot schwamm. Hurrah, jetzt geht es los! Die fast drei Stunden Hinfahrt im kleinen Boot waren etwas langweilig. Etwa 200 Meter vor der Küste stoppte das Boot, wir mussten Gummihosen anziehen und durch das Wasser waten. Da waren sie, die Grizzlies! Dutzende trotteten murrend über den Strand, kaum 50 Meter von uns entfernt, fischten oder trieben den Nachwuchs vor sich her. Einige halbstarke massen gegenseitig ihre Kräfte. Hie und da lag ein Haufen Laub….nein, es waren schlafende Bären, die sich so eingerollt haben, dass man sie auf den ersten Blick übersah.

Das Smartphone ist in einer wasserdichten Hülle!
Die Bären kamen uns ziemlich nahe (oder wir ihnen)

Man erklärte uns, dass wir zusammenbleiben sollen. Bären greifen Gruppen nicht so schnell an, wie einzelne Individuen. Als ich einmal austreten musste, warnte man mich, aufzupassen. Einer der Mitreisenden öffnete mir gegenüber seinen Mantel und zeigte mir eine Pistole, die er mit sich trug. Zur Sicherheit, man wisse ja nie! Auf dem Watenstrand waren noch weitere Menschengruppen zu sehen. Die Bären haben sich daran gewohnt.

Seit wir hier waren, nahm die Flut und die Bewölkung zu. Nachdem wir uns an den Bären satt gesehen hatten, wollten wir wieder zurück fahren. Doch wo ist unser Boot. Ach ja, dort in der Ferne tümpelt es still vor sich hin. Der Bootsführer überliess es einfach dem Schicksal und hat es nicht festgebunden. Es gab dort auch nichts, wo er es hätte anbinden können. Also musste er ein paar 100 Meter weit laufen, um das Boot wieder einzufangen. Als er dort war, wo das Boot war, als er startete, hat sich das Boot schon wieder weiter entfernt. Schliesslich hatte er es eingefangen und per zu Fuss zu uns her geschleppt. Wir wateten wieder zum Boot und mussten uns über die Reling rein hieven. Dabei zerbrach das Display meines Smartphones. Das reute mich sehr. Aber endlich konnten wir die Rückfahrt antreten. Das Wetter hat sich in der Zwischenzeit immer mehr verschlechtert und bald wähnten wir uns auf recht bewegter See. Der Bootsführer besprach sich mit einem Begleiter, ob er weiterfahren oder die Fahrt abbrechen soll. Der Begleiter plädierte für die Weiterfahrt. Zur Sicherheit informierte der Bootsführer die Küstenwache. Er konnte nur nach GPS fahren, zu sehen war im Nebel und bei der düsteren Sicht nicht viel.

Das Wetter meinte es nicht gut mit uns auf der Rückfahrt!

Unser Boot rollte gefährlich hin und her und stampfte nach jeder überquerten Welle zornig in’s Wellental hinunter. Wir waren wieder einmal in einem kleinen Metallboot mit kleiner Kabine. Wäre es gekentert, wäre es unmittelbar gesunken und wir hätten keine Zeit gehabt, die Kabine zu verlassen. Wir waren uns des Ernsts der Situation voll bewusst, konnten aber nichts tun. Ich starrte während der ganzen Überfahrt fortwährend auf das GPS . Dauerte die Hinfahrt bei ruhiger See drei Stunden, so dauerte die Rückfahrt bedeutend länger. Endlich! Land in Sicht. Der Bootsführer befahl uns, uns festzuhalten, weil die Landung etwas holprig würde. Der Anhänger war in Stellung gebracht und richtete uns zwei Leitplanken entgegen, die uns wie ein Trichter sauber auf die Ladefläche leiten sollten. Noch etwas Gas und – schwupp – flogen wir buchstäblich auf den Anhänger. Nach der lebensgefährlichen Überfahrt, war das war für mich eine Kür. Aber Barbara fand es gar nicht lustig. Sie war kreidebleich.

Homer

Als die Lebensgeister wieder zurückgekehrt waren, erkundeten wir Homer. Vor allem die Bishop Beach hat es uns angetan. Dank einer hohen Tide konnte der Strand während der Ebbe 300 Meter weit begangen werden, Paar Stunden später war nichts mehr von diesem Strand zu sehen.

Strömungsrillen auf dem Watt
Bei Ebbe ein breiter Strand

Der Hafen war entsprechend konzipiert: Es gab fast 10 Meter hohe Pflöcke, an denen die Botte per Gleitpoller angebunden waren. Er schiebt sich dem Pflock entlang hoch, wenn das Boot von der Flut angehoben wird. Das ist sehr eindrücklich.

Im Hafen von Homer werden die Botte an hohen Masten angebunden, damit sich der Gleitpoller während der Flut mit dem Boot hinauf schiebt. Im Hintergrund ein Kreuzfahrtschiff.

Fairbanks

Von Martin erhielten wir einen schönen Hybrid-Wagen, mit dem wir verschiedene Ausflüge machen konnten. Einmal fuhren wir in’s Landesinnere nach Fairbanks, nach Anchorage der zweitgrössten Stadt in Alaska. Nebenbei: Anchorage ist nicht der Regierungssitz von Alaska, sondern das ganz im Süden gelegene unbedeutende Nest Juneau, das von Anchorage aus nicht einmal auf dem Landweg erreichbar ist.

Der Durstlöscher

Auf der Anfahrt nach Faibanks gingen wir beim Eingang zum Denaly National Park vorbei, um uns über mögliche Ausflüge zu informieren. Es stellte sich heraus, dass auch dort der Tourismus grassierte. Die Hotelzimmer waren teuer wie verrückt und Touren waren auf die Kürze nicht zu haben. Also strichen wir in unseren Köpfen den Denaly Park und begnügten uns mit Fairbanks, das mir sehr gefallen hat, wofür das sonnige Wetter nicht unschuldig war. Wir buchten das AirBnB erst, als wir schon in Fairbanks waren. Wir sassen in einer kleinen Brauerei bim Bier und Barbara telefonierte mit dem Vermieter. Eine halbe Stunde später konnten wir einziehen. Es war eine wunderbar geräumige und saubere Wohnung.

Bird Sanctuary Fairbanks
Im Bird Sanctuary in Fairbanks

In Fairbanks gab es auch ein Bird Sanctuary, das wir bewanderten und bewunderten. Die Wege sind sehr gut ausgebaut, oft auf einem Holzsteg. In ganz Alaska sahen wir sehr viele Kraniche, aber auch Adler und viele andere Vögel.

Gut ausgebaute Strassen ohne jeglichen Verkehr

Etwas im Norden von Fairbanks läuft ein Teilstück der grossen Öl-Pipeline über Tag, so dass man sie bewundern kann. Sie ist völlig unbewacht und ich konnte sie berühren. Ich wundere mich, dass keine Attentate stattfinden.

Die Ölpipeline

Auf der anderen Strassenseite ist eine stillgelegte Goldmine zu einer Touristenattraktion umgenutzt. In einer Lauge werden Goldplättchen aufgeschwemmt, die die Touristen herausfischen und behalten können. Natürlich kostet der Eintritt mehr, als man an Gold herausholt. Ich führe ja zur Sicherheit stets ein paar Gramm feinstes UBS-Gold mit. Das nützt mir mehr, als fragwürdige Goldplättchen, um die zu sehen möglicherweise ein teures Mikroskop benötigt wird.

Der Goldgräber von Klondike

Der Ausflug nach Fairbanks hat sich gelohnt. Die Strassen in Alaska sind breit und gut ausgebaut, obschon es nur wenig Verkehr hat. Sowohl nach Homer als auch nach Fairbanks hatte es wenig Verkehr und wir kamen gut voran.

Leider war es uns im August nicht vergönnt, ein Polarlicht zu sehen. Dafür war es bis gegen 23 Uhr hell und dann um 4 Uhr früh wieder. Wir bestanden noch viele weitere Abenteuer in Alaska, das wirklich sehenswert ist. Nach sieben Wochen haben wir uns aber verabschiedet und wanderten weiter.

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