Im folgenden will ich ein populäres Kapitel aus Einstein’s Spezieller Relativitätstheorie besprechen, das viele Menschen fasziniert. Es ist einfach und verständlich! Lassen Sie sich durch den Begriff Relativitätstheorie nicht einschüchtern!
Am 26. September 1905, also vor ziemlich genau 120 Jahren, hat Albert Einstein seine Spezielle Relativitätstheorie publiziert. In ihrem Rahmen wird oft das Paradoxon erwähnt, dass die Zeit langsamer abläuft, je schneller man sich bewegt. Kehr man von der Reise wieder zurück, wäre man dann weniger gealtert, als die Menschen, die auf der Erde zurückblieben.
Das Zwillingsparadoxon
Anlässlich einer Nachbarschaftsparty kam das Zwillingsparadoxon im Gespräch auf, das in der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) – gemäss meines Mathematikerkollegen ein «wiederaufgelegter Pythagoras» – als didaktisches Beispiel Verwendung findet. Das Zwillingsparadoxon lautet: «Ein Mensch, der mit sehr grosser Geschwindigkeit verreist, wird bei seiner Rückkehr auf die Erde bedeutend jünger sein, als sein Zwilling, der währenddessen auf der Erde zurückblieb». Menschen, die das fasziniert, fragen als Erstes nach den physiologischen Vorgängen. Dazu wird ihnen die SRT jedoch keine Antworten liefern, denn der Grund für das Zwillingsparadoxon ist physikalischer Natur, nicht physiologischer. Die SRT behauptet, dass wir in einer Welt leben, dessen Geometrie die Raumzeit so verbiegt, dass ein Umweg kürzer ist, als der „direkte“ Weg. Das heisst, dass das Vom-Weg-abkommen dem unbeirrt seinen Weg gehen, vorzuziehen ist.

Um meinem neugierigen Freund das Zwillingsparadoxon zu erklären, hatte ich mir ein paar didaktische Überlegungen gemacht und mit KI einige Bildchen angefertigt, um möglichst anschaulich zu sein. Damit diese Vorarbeiten nicht ganz umsonst waren – und auch zum 120 Jahrestag der SRT -, erkläre ich hier das Zwillingsparadoxon noch einmal, obwohl es Tausend andere, bessere Erklärungen im Web gibt, wie z.B. das youtube-Video von Josef M. Gassner Spezielle Relativitätstheorie: Zeitreisen, Zwillingsparadoxon, Myonen. Video 13 aus der Reihe Urknall, Weltall und das Leben.
Inhalt
Wenn jemand die recht einfache Argumentation für die Zeitdilatation nicht versteht, hat er meist das Kleingedruckte nicht gelesen. Es besteht aus folgenden Abschnitten:
Für Autofahrer:
- Was ist ein Zug und wie verreist man mit einem Zug?
Wer noch nie in einem Zug gefahren ist, kann sich das Video This is the Most Beautiful Train Ride in Switzerland anschauen.
- Was ist Geschwindigkeit und was Beschleunigung?
- Wie berechnet man Geschwindigkeit?
Zur Erinnerung:
- Was ist mit unserer Wahrnehmung?
- Was ist ein Koordinatensystem?
- Ist die Zeitachse horizonal oder vertikal?
- Was ist ein Basiswechsel
Zur Speziellen Relativitätstheorie:
- Wo findet die SRT statt?
- Was sind Bezugssysteme?
- Wie lauten die beiden Einsteinschen Postulate?
Ohne diese Fragen beantworten zu können, sollten Sie sich gar nicht an das Zwillingsparadoxon heran machen.
Danach kann das Zwillingsparadoxon in drei Abschnitten erledigt werden:
Geschwindigkeit und Beschleunigung
Manchmal hört man Autofahrer prahlen, sie seien mit 200 Sachen über die Autobahn gebrettert. Das ist jedoch eine unvollständige Geschwindigkeitsangabe, denn eine Geschwindigkeit ist in erster Linie eine Richtung und erst dann ein Betrag. Wenn also einer mit 200 Sachen in nördlicher Richtung fährt, hat er eine völlig andere Geschwindigkeit, als ein anderer, der mit 200 Sachen in westlicher Richtung fährt. Beschleunigung ist jegliche Geschwindigkeitsänderung. Das heisst, wer eine Kurve fährt, ändert laufend die Richtung und beschleunigt daher. Wer von 200 Sachen auf 150 abbremst, ändert die Geschwindigkeit und beschleunigt daher.
Ein Körper, der eine bestimmte Strecke s in einer bestimmten Zeit t durchläuft, hat die Geschwindigkeit v = s/t. Z.B. hat ein Körper, der in 3 Sekunden 99 Meter weit kommt die Geschwindigkeit v = 99/3 = 33 m/s. Sie möchten das lieber in Stundenkilometer ausgedrückt haben? 33 Meter in 1 Sekunde sind 3600 mal 33 Meter in 3600 Sekunden, also einer Stunde. Das sind also 118’800 Meter in 1 Stunde, oder 118,8 km/h.
Umgekehrt legt z.B. ein geradelinig fahrender Zug, der gleichförmig mit 100 km/h fährt, in 3 Sekunden die Strecke s = vt zurück. Das sind 100 km/h mal 3 Sekunden. Das Einheitengemisch macht uns wieder zu schaffen. 100 km/h sind 100 km pro 3600 Sekunden, also legt er 100 km mal 3 Sekunden in 3600 Sekunden zurück, oder 100/1200 = 1/12 km zurück. Das sind etwas mehr als 83 Meter.
In der SRT gibt es keine Beschleunigungen (das dürfte kontrovers diskutiert werden), sondern nur geradelinig, gleichförmige Bewegungen. «Geradelinig, gleichförmig» heisst nichts anderes, als «konstante Geschwindigkeit». In der Welt gibt es solche Bewegungen kaum. Himmelskörper, die sich geradelinig, gleichförmit fortbewegen, werden sehr schnell auf gekrümmte Bahnen gezwungen. Dennoch ist das die Welt der SRT.

Was ist mit unserer Wahrnehmung?
Sie ist sehr restriktiv und fast möchte ich sagen: kleinkariert. Sie ist eben an unsere Lebenswelt angepasst. Wir nehmen das wahr, was wir wahrnehmen müssen, um zu überleben. Die Welt der SRT ist uns fremd. So behauptet jemand, der ,aus der Ferne gesehen, mit dem Zug 100 Kilometer zurückgelegt hat, er habe sich bewegt, obwohl er ständig ruhig in seinem Abteil gesessen hat. Das kommt daher, dass er schon von Klein auf (fälschlicherweise) gelernt hat, dass sich nicht die Erde unter dem Zug hindurch bewegt, sondern der Zug über die Erde fährt, obwohl es vom Zug aus anders aussieht.
Wenn wir noch einmal obiges Bildchen anschauen, wird es klarer: Alle Himmelskörper bewegen sich relativ zueinander. Wenn wir aus der Ferne hingucken, können wir den einzelnen Himmelskörper keine Geschwindigkeit zuordnen, weil es keinen festen Punkt gibt, an dem wir uns orientieren können. Erst wenn wir selber auf einem dieser Himmelskörper landen und das Geschehen von da aus beobachten, haben wir den Eindruck, dass wir uns in Ruhe befinden und sich nur die anderen bewegen. Nun können wir für jeden benachbarten Himmelskörper eine Geschwindigkeit (relativ zu uns) messen.

Was ist ein Koordinatensystem?
Sie erinnern sich aus der Schule: Es gibt z.B. zwei Achsen, eine waagrechte Zeitachse und eine senkrechte Wegachse. Ein Körper bewege sich geradelinig und gleichförmig an uns vorbei. Wir wollen seine Bewegung aufzeichnen. Dazu sagen wir, dass sich der Körper jetzt, z.B. zur Zeit t=0 an einer Wegmarke befindet. Dieser Wegmarke können wir auch die Entfernung 0 zuordnen, weil wir jetzt und hier zu messen beginnen. Nach einer gewissen Zeit, – sagen wir nach 3 Sekunden, also auf der waagrechten Zeitachse etwas rechts von der 0 – hat der Körper z.B. 10 Meter zurückgelegt. 10 Meter ist auf der senkrechten Wegachse etwas oberhalb der 0. Der Körper befindet sich also nach 3 Sekunden an dem Punkt, der 10 oberhalb der 3 auf der waagrechten Achse liegt und bewegt sich auf der Linie, die durch (0 | 0) und (3 | 10) geht. Im Folgenden geht es vor allem darum, solche Diagramme zu studieren. Schauen Sie diese Grafiken genau an und versuchen Sie, ihren Inhalt nachzuvollziehen.

Ist die Zeitachse horizontal oder vertikal?
Wir haben die Zeitachse horizontal gezeichnet. In der SRT wird sie jedoch vertikal gezeichnet und die Wegachse horizontal. Einfach deshalb, weil man sich dann z.B. ein Auto, das von links nach rechts über die Autobahn fährt, besser vorstellen kann. Das ist ja bloss eine technische Angelegenheit. Machen Sie sich (zumindest vorerst) also nicht zu viele Gedanken darüber!
Basiswechsel
Stellen Sie sich vor, Sie fahren im Zug (auf einem schnurgeraden Geleise) von Basel nach dem exakt 100 Kilometer entfernten Zürich. In Basel machen wir auf dem Geleise ein Kreuz unter Ihrem Sitz, noch bevor der Zug abfährt. Das ist der Punkt (0 | 0), also 0 Kilometer und 0 Stunden seit Abfahrt des Zuges. Nun befindet sich bei Kilometer 57 direkt am Geleise ein Haus, aus dessen Fenster geleiseseitig eine Flagge heraushängt. Sie flattere direkt über dem Geleise im Wind, natürlich so hoch, dass der Zug unbeschadet unten durch mag. Im Geleisekoordinatensystem ruht sie bei Km 57 und laufender Zeit. Im Koordinatensystem des Zuges hingegen, bewegt sie sich zuerst auf Sie zu und danach wieder von Ihnen weg. Ihr Nullpunkt ist direkt unter ihrem Sitz am Boden der Zugskabine, in welcher Sie sitzen.

Es muss möglich sein, bei gegebener Geschwindigkeit des Zuges, die Koordinaten der Flagge vom Zug aus gesehen, zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Koordinaten vom Geleise aus gesehen, umzurechnen und umgekehrt. Das ist eine etwas mühselige Rechnung, aber grundsätzlich ist sie immer möglich. Es gibt Apps, die das für Sie rechen würden, wenn Sie’s denn bräuchten.
Was sind Bezugssysteme?
Der Boden auf dem das Geleise ruht ist ein Bezugssystem. Wenn wir am Geleise stehen, dann fährt der Zug an uns vorbei. Wir ruhen und der Zug bewegt sich. Nicht so, wenn wir uns im Zug befinden. Dann ruhen wir und sehen die Leute am Geleise, wie sie an uns vorbei ziehen. In diesem Fall ist der Zug unser Bezugssystem. Also ist mein Bezugsystem alles, was für mich in Ruhe zu sein scheint. Sitze ich im Zug, dann befinden sich Gepäckablage, Boden, der Sitz neben mir und mein Koffer in Ruhe. Sie gehören zu meinem Bezugssystem. Schaue ich aus dem Fenster, bewegt sich die Erde, auf dem das Geleise befestigt ist, an mir vorbei. Sie gehört nicht zu meinem Bezugssystem.
Wenn wir jetzt ruhig am Geleise stehen, wollen wir einmal die Zeit im Zug messen, wenn er an uns vorüber fährt. Dazu benötigen wir eine grosse und gut sichtbare Uhr im Zug. Wir befestigen dazu am Boden und an der Decke einer Zugskabine eine glatte Stahlplatte. Sagen wir, sie seien genau drei Meter voneinander entfernt. Nun schlagen wir einen Pingpongball auf die untere Platte. Er wird hoch springen und an der oberen Platte abprallen, wieder zur unteren Platte fallen und so weiter. Sagen wir, der Ball benötigt genau eine Sekunde, um sich von Platte zu Platte zu bewegen. Das ist die Uhr, die wir von Aussen bequem sehen können (selbstverständlich gibt es keine Schwerkraft und keinen Luftwiderstand und die Energie, die der Ball beim Stoss verbraucht, wir immer wieder ersetzt). Während der Pingpongball für denjenigen im Zug vom Abprall an der oberen Platte genau drei Meter in einer Sekunde bis zur unteren Platte zurücklegt, bewegt sich für uns die untere Platte ca. 30 Meter in Fahrtrichtung, seit der Ball an der oberen Platte abprallte. Auch für uns schlägt der Ball auf der unteren Platte nach einer Sekunde auf, aber nachdem er eine beträchtlich grössere Distanz zurück gelegt hat. Beide behaupten, der Ball hätte die Strecke vt zurückgelegt. v ist die Geschwindigkeit des Balls, t ist eben z.B. 1 Sekunde. Die beiden Strecken sind sehr verschieden. Das kommt daher, dass der Ball für denjenigen im Zug eine andere, langsamere Geschwindigkeit hat, als für denjenigen , der am Geleise steht.

Wie lauten die Einsteinschen Postulate?
Albert Einstein behauptete:
1. Alle Bezugssysteme sind gleichberechtigt!
2. Das Licht bewegt sich in allen Bezugssystemen mit derselben Geschwindigkeit!
Diese beiden Postulate müssen Sie einfach glauben. Man kann sie nicht be- oder nachweisen. Natürlich können Sie die Lichtgeschwindigkeit unter verschiedenen Bedingungen messen, aber um festzustellen, dass sie immer gleich ist, müssen Sie ein anderes Postulat «glauben», z.B., dass die Länge von Wegen nicht konstant ist.
Wenn Sie das nächstens wieder mal nicht einschlafen können, dann nutzen Sie die Gelegenheit, um über die Konsequenzen der beiden Einsteinschen Postulate nachzudenken. Sie sind nicht so harmlos, wie sie im ersten Moment klingen mögen. Gleichberechtigung der Bezugssysteme heisst z.B., dass wir von der Erde aus behaupten können, dass sich der Zug an uns vorbei bewegt, während wir in Ruhe dastehen und allenfalls den Hut festhalten, damit er vom Fahrtwind des Zuges nicht weg geweht wird. Mit dem gleichen Recht kann derjenige im Zug behaupten, dass er ganz in Ruhe dasitze und zusehe, wie sich die Erde unter dem Zug vorbei bewege und die Leute am Geleise ständig ihren Hut halten müssen, weil sie sich so schnell durch den Wind bewegen. Und beide haben gleich recht. Es ist also nicht so, dass die Wahrnehmung der Menschen, die auf der Erde ruhen, korrekt sind, während sich die Zugsreisenden bloss einer Illusion hingeben.
Und wenn die Lichtgeschwindigkeit stets und überall gleich ist, dann wird das Lichtsignal, das entsteht, wenn die Scheinwerfer der Lokomotive eingeschaltet werden, ein weiter vorne stehenden Beobachter nicht erreichen, wenn sich der Zug selber mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Das Lichtsignal kommt dann gar nicht von der Lokomotive weg.
Der neu aufgelegte Pythagoras
Jetzt sind wir nahe am Zwillingsparadoxon dran! Wiederholen wir das Experiment mit der Pingponguhr im Zug noch einmal. Diesmal saut der Zug saut mit einer Geschwindigkeit von z.B. 60 % der Lichtgeschwindigkeit an uns vorbei, also v=0.6c. Die Uhr müssen wir etwas modifizieren, sonst meinen wir noch, der Pingpongball stehe still. Wir ersetzen den Ball durch einen Lichblitz (oder wahlweise durch ein Photon) und die beiden Platten durch Spiegel. Jetzt müssen sie aber 300´000 Km auseinander liegen, damit der Lichtblitz eine Sekunde braucht, um sich von Spiegel zu Spiegel zu bewegen (über die Durchführbarkeit von Experimenten machen sich Theoretiker nie Gedanken!). Da nach dem zweiten Einsteinschen Postulat die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen immer gleich ist, hat der Lichtblitz jetzt für denjenigen im Zug und für denjenigen, der am Geleise steht, dieselbe Geschwindigkeit, nämlich c.
Beachten Sie: im ersten Experiment bewegte sich der Pingpongball für beide Beobachter mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in derselben Zeit. Also v’t für den Zugfahrer und vt für den ruhenden Beobachter. v’ ist die Geschwindigkeit, die der Zugfahrer gemessen hat. Sie war kleiner, als die Geschwindigkeit v, die der ruhende Beobachter gemessen hat. Wenn jetzt, im zweiten Experiment, der Lichtblitz für beide Beobachter die gleiche Geschwindigkeit hat, dann müssen die Zeiten verschieden sein, d.h. ct’ für den Zugfahrer und ct für den ruhenden Beobachter!
Erkenntnis: vom ruhenden Beobachter aus gesehen, verstreicht die Zeit im Zug langsamer, als auf der Erde. Aber wie viel? Dazu benutzen wir jetzt eben die Formel des Pythagoras!

Das ist doch einfach, oder nicht?! Dieser Faktor – Wurzel aus 1 minus v im Quadrat geteilt durch c im Quadrat – ist übrigens in der SRT zentral!
Das Bezugssystem des Zugfahrers
Aber irgend etwas beunruhigt uns dennoch. Es scheint, als wäre die Welt des Pythagoras verzerrt. Schauen wir uns nochmals genau hin: Wir haben das Koordinatensystem des ruhenden Beobachters mit waagrechter Wegachse und senkrechter Zeitachse. Soweit, so gut! Wenn der Zug das 0.6-fache der Lichtgeschwindigkeit hat, dann legt er in fünf Jahren drei Lichtjahre zurück. Auf der senkrechten Zeitachse können wir die Zeit mit der Lichtgeschwindigkeit multiplizieren, die ja konstant ist. Dann erhalten wir dieselben Einheiten wir auf der Wegachse, nämlich «Lichtjahre». Betrachten Sie noch einmal das Dreieck vom (0 | 0)-Punkt zum Punkt (3 | 5) und zum Fusspunkt (3 | 0). Seine Seite auf der Wegachse beträgt 3 Längeneinheiten, die senkrechte Seite beträgt 5 Längeneinheiten (er braucht 5 Jahre, um 3 Lichtjahre zurück zu legen). Nach Pythagoras hätte dann die schräge Linie, die der Zug zurücklegt die Länge Wurzel aus 25 + 9, also Wurzel aus 34. Das sind ca, 5.83 Jahre. Aber wir haben berechnet, dass im Zug nur 4 Jahre vergehen. 4 sind aber Wurzel aus 25 – 9, d.h. Wurzel aus 16. Irgendwie verdreht sich die Formel des Pathagoras! Man sagt, die Geometrie sei hyperbolisch.
Das wirkt sich auch auf das bewegte Bezugssystem aus. Für den ruhenden Beobachter bewegt sich der Zug auf der Geraden durch die Punkte (0 | 0) und (3 | 5). Diese Gerade kann just als Zeitachse für das Bezugssystem des Zuges interpretiert werden. Der fahrende Beobachter bewegt sich ja in seinem Bezugssystem nicht, d.h. verweilt einfach auf seiner Zeitachse. Das geht im klassischen Fall nicht, wo der Zug eine gegenüber der Lichtgeschwindigkeit geringe Geschwindigkeit hat! Leider wird dieser Tatsache in den vielen populären Lehrmedien zur SRT zu wenig Beachtung geschenkt. Im klassischen Fall sind die Zeit- und Raumachsen des bewegten Systems immer parallel zu den Zeit- und Raumachsen des ruhenden Systems! Im klassischen Fall hätte eine Zeitachse, die gegenüber der ruhenden Zeitachse etwas nach rechts gedreht wurde, irgendwelche gemischte Zeitwegeinheiten. Erst im relativistischen Fall entsteht das (hyperbolische) Raum-Zeit-Kontinuum, von dem alle reden.
Wie sieht die Wegachse des bewegten Systems nun aus, wenn die Zeitachse etwas nach rechts gedreht ist? Das Licht bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit auf der Winkelhalbierenden der Zeit- und Wegachse, für den ruhenden Beobachter also auch der 45-Grad-Geraden. Da die Lichtgeschwindigkeit für alle Bezugssysteme immer gleich ist, muss die Bewegungsgeraden des Lichts auf im bewegten Koordinatensystem Winkelhalbierende sein. Das bedeutet, dass die Wegachse des bewegten Beobachters gegenüber der Wegachse des ruhenden Beobachters um gleich viel nach links gedreht sein, wie die Zeitachse nach rechts gedreht wurde. Das gibt dann eine neues Koordinatensystem mit spitzwinklig zueinander stehenden Achsen. Wir sehen uns einmal einen beliebigen Punkt in der Welt an und bestimmen seine Koordinaten im ruhenden und im bewegten System:

Der rückreisende Zwilling
Vom ruhenden Bezugssystem bewegt sich die Zeit im bewegten Bezugssystem also langsamer als im ruhenden. Das alleine ergibt sich aus dem Satz des Pythagoras und ist nicht das Zwillingsparadoxon! Da alle Bezugssysteme gleichberechtigt sind, meint nämlich auch der bewegte Beobachter, dass die Zeit des ruhenden Beobachters langsamer als seine abläuft, denn der bewegte kann sich ja Ruhe wähnen und den ruhenden als bewegt ansehen. Die Situation ist also symmetrisch. Aber in dieser Situation entfernen sich die beiden Zwillinge immer weiter und kommen gar nie dazu, ihr Alter zu vergleichen.
Erst wenn der bewegte Zwilling wieder zur Erde zurückkehrt, haben die beiden die Gelegenheit, sich in die Arme zu fallen und auszurufen: «Du bist aber gealtert!», bzw. «Hast dich gar nicht verändert!». Aber, um zurückzukehren, muss der Reisende die Bewegungsrichtung ändern, was einer Beschleunigung gleichkommt, die aber durch die SRT nicht direkt behandelt wird. Dennoch lässt sich das Zwillingsparadoxon nicht durch diese Beschleunigung erklären. Wenn die Erde immer nach Ablauf eines Jahres ein Lichtsignal zum Raumschiff (oder Zug) des reisenden Zwillings schickt, so sind es seine schnellen Bewegungen vom Lichtsignal weg, bzw. zum Lichtsignal zu, die das Paradoxon ausmachen.
Ein plötzlicher Richtungswechsel!
Wie kann man sich das vorstellen? Schauen wir wieder auf das zweite Bild und denken uns ruhend auf diesem Himmelskörper. Da wir keine Beschleunigungen möchten, gibt es für den Zwilling mit Fernweh nur die vorbeifliegenden Himmelskörper, die ihn mitnehmen könnten. Er muss also im richtigen Moment auf einen vorbeifliegenden Himmelskörper aufspringen. Um nach am Ziel sofort wieder umkehren zu können, muss er auf einen entgegen fliegenden Himmelskörper springen, der sich natürlich schon viel früher auf seiner Bahn bewegt hat. Wenn Sie lieber Züge, statt Himmelskörper haben: Die zwei Zwillinge stehen auf dem Bahnsteig. Da fährt ein Zug mit 0.6c vorbei. Eine Türe ist offen und der eine Zwilling springt auf. Nach vier Jahren kommt ihm auf dem Parallelgeleise ein anderer Zug mit 0.6c entgegen. Auch da ist eine Türe offen und der fahrende Zwilling muss jetzt sehr schnell hinüber springen, eine Szene, die man nicht einmal in einem James Bond Film zeigen dürfte! Um das Unmögliche zu reduzieren, können wir uns vorstellen, dass im entgegenkommenden Zug eine Person sitzt, die zum Zeitpunkt, an dem sich die beiden Züge kreuzen, genau gleich alt ist, wie der reisende Zwilling. Die Person im entgegenkommenden Zug vertritt dann den reisenden Zwilling auf dem Weg zum Ausgangspunkt zurück.
Der Plan, wie er vom Reisebüros vorgelegt wurde
Nun schauen wir uns den gesamten Reiseplan des reisenden Zwillings genau an: Er bewegt sich zunächst von uns weg.

Wir haben das Gefühl, dass die Zeit in seinem Zug oder Raumschiff langsamer vergeht, als bei uns. Dasselbe Gefühl hat aber auch er! Auch für ihn vergeht die Zeit auf der Erde langsamer, als bei ihm im Schnellzug. Wenn er den zweiten Silvester in seinem Schnellzug feiert, sieht er durch sein Fernrohr, dass die Leute auf der Erde gerade das erste Silvester seit seiner Abreise feiern. Wenn er nach 4 Jahren am Ziel angekommen ist, feiern die Leute auf der Erde gerade mal das zweite Silvester seit seiner Abreise!
Anders ist es aber dann, wenn er wieder auf dem Rückweg ist. Dann plötzlich rast die Zeit auf der Erde. Schon, nachdem er ein Jahr auf seiner Rückreise verbracht hat, sind auf der Erde 4 Jahre seit seiner Abreise vergangen.
Jahre, die im Zug/Raumschiff vergangen sind | Jahre, die gleichzeitig auf der Erde vergangen sind (vom Reisenden aus gesehen) |
1 | ca. dreiviertel |
2 | 1 |
3 | ca. eindreiviertel |
4 | 2 |
5 | 4 |
6 | 6 |
7 | 8 |
8 | 10 |
Wenn der reisende Zwilling also zurückkehrt, ist er 8 Jahre älter, als bei seiner Abreise, während der zuhause gebliebene Zwillingsmensch 10 Jahre gealtert hat. Die Zahlen gehen zwingend aus dem Diagramm hervor. Das Altern hat keinen physiologischen Grund, sondern einen kinematischen. Den Weg des Reisenden kann man in 8 Jahren meistern, während der zuhause gebliebene 10 Jahre warten musste, bis der Zug oder das Raumschiff wieder an dem Punkt angekommen ist, wo es einst los donnerte.
Fragen!
Kürzlich monierte jemand, dass viele meiner Blogartikel unverständlich seien. Ich vermute jedoch, dass die Leser sich entweder zu wenig für das Thema interessieren oder sich nicht die nötige Zeit nehmen, um den Text konzentriert durchzulesen. Wenn dann etwas tatsächlich unverständlich geblieben sein sollte, gibt das Anlass für eine entsprechende Frage im Kommentarfeld des Artikels.
Das Wichtigste ist, nie aufzuhören zu fragen! Neugier hat ihren eigenen Grund zu existieren,
hat auch Albert Einstein einmal gesagt und damit schliesst sich der Kreis.