Ein Tag wie jeder andere

Am 24. Dezember erwache ich um 6 Uhr früh durch das Posaunen und Trompeten des Pfaus. Sofort spüre ich, wie sich die tropische Hitze ausbreitet. Noch halb schlummernd nehme ich mir vor, es heute ruhig anzugehen und vielleicht sogar den ganzen Tag herumzulungern. Da werde ich durch zwei peitschende Knalle (so sei der Plural von „Knall“) jäh aus dem Halbschlaf gerissen. Mit weit aufgerissenen Augen stehe ich im Bett und frage mich, was geschehen sein mag.

Da erinnere ich mich, dass die (männlichen) Nachbarn gerne das Kind in ihnen befriedigen, indem sie Knallpetarden zünden, wenn immer eine Affenbande im Anzug ist. Nicht, dass die Affen davon beeindruckt wären, dafür ich umso mehr. Vielleicht ist es besser, ich mache mal eine Runde um das Haus. Man weiss ja nie, was sich die Affen heute ausgedacht haben. Also schlurfe ich im Pyjama um’s Haus. Auf der Rückseite schaue ich mir den Wasserturm an, den ich mit einem Viehhüterdraht schützen möchte. Ach ja, ich muss noch passende Rohrschellen kaufen, um die Wasserleitungen zu fixieren.

Der Wasserturm

Unvorhergesehenes

A propos „Wasser“: Ich darf nicht vergessen, den Wassertank zu füllen! Dafür muss ich bei der Nachbarin den Schlauch nehmen und durch den Gartenhag auf unser Grundstück führen. Wenn ich dann wieder zurück bin, musss ich den Schlauch in den Tank stecken und dann wieder zur Nachbarin laufen, um das Wasser aufzudrehen.

Aber zuerst mache ich mir mein Morgenessen: frische Mangos, Bananen und Passionsfrucht, angemacht mit Curd. Oder auf Singhalesisch: Ambe, Gessel, Väldodang, Mikiri. Während ich esse und in die Kokos- und Bananenpalmen blicke, treffen schon die ersten Handwerker ein, die bei uns seit einigen Tagen beschäftigt sind, und verlangen nach irgend einem Werkzeug. Also unterbreche ich das Frühstück kurz, um nachzusehen, was in meiner Werkzeugkiste dem, was der will, am Nächsten kommt. So! Woran war ich gerade? Ach ja, am Frühstück!

Handwerker im Haus

So, jetzt aber zur Nachbarin, um den Schlauch zu nehmen. Aber was ist das? Der Wasseranschluss liegt im Dreck. Ich kann den Schlauch nicht anschliessen. Das gibt’s doch nicht! Es gibt kein Wasser! Man sagt mir, dass eine heruntergefallene Kingcoconut den Wasseranschluss bombardiert hat. Diese Nüsse sind vielleicht ein bis zwei Kilogramm schwer und bis zu 30 cm im Durchmesser. Sie fallen aus einer Höhe von 25 bis 30 Metern herunter. Rechne! Die Aufprallgeschwindigkeit ist ja bekanntlich Wurzel aus 2gh, also Wurzel aus ungefähr 500. Das sind ungefähr 22.5 Meter pro Sekunde, was 80 Kilometer pro Stunde entspricht. Wenn Sie so eine Kokosnus mit einem 80er trifft, dann haut es auch Sie um! Also, kein Wasser! Saublöd!

Jetzt verlangt der Maler neue Pinsel und mehr Farbe und die Maurer benötigen noch einen Sack Zement und neue Besen. Dann halt den Tuktuk-Fahrer bestellen, der sein Eintreffen in 10 Minuten in Aussicht stellt. Nach 15 Minuten ruft er an, um uns zu informieren, dass er noch weitere 10 Minuten benötige, als der Strom ausfällt. Na bravo! Dann kann ich gleich vergessen, die 2 Flaschen Bier von gestern Abend, zu ersetzen. Es wäre kontraproduktiv, warme Objekte in den Kühlschrank zu stellen, wenn der gar nicht arbeitet.

Der Maler

Endlich kommt das Tuktuk und wir können losfahren. Welche Stationen müssen wir anfahren? Ich schaue während der Fahrt nochmals auf die Einkaufsliste in den Google Notizen, die Barbara und ich teilen. So kann Barbara zuhause noch etwas eintragen, während ich schon unterwegs bin, z.B. „Chlorin“ für den Pool, der fast schon am Kippen ist. Dafür müssen wir ziemlich über die Stadt hinausfahren, auf die andere Seite, wo sich der Poolshop befindet. Der Besitzer liegt ganz hinten im dunklen Laden auf einer Pritsche, während mich Frau und Tochter bedienen. Als sie meinen Wunsch dem Besitzer weitergeben, schüttelt dieser müde den Kopf und behauptet, kein Chlorin mehr zu haben, ich solle nächste Woche wieder kommen (wenn er nicht mehr so müde sei, ergänze ich ihn in Gedanken). Wenn so ein Laden etwas hat, dann ist es Chlorin. Andernfalls würden hunderte von Hotelpools in der Umgebung auf der Stelle in stinkende Brühen verwandelt. Ich glaube, der Mann ist einfach zu faul, etwas zu verkaufen.

Im Tuktuk unterwegs

Preisbeispiele

Nachdem wir im Malergeschäft, im Hardwarestore, auf dem Freshmarket und beim Strassenverkäufer alles zusammen getragen haben, müssen wir noch bei einem Take-away-Koch am Nachhauseweg vier Lunchpakete bestellen. Wenn Sie Handwerker einen Tag lang beschäftigen, dann sind Sie verpflichtet, ihnen einen Lunch zu organisieren. Take-away-Dienste sind darauf spezialisiert. Diese Pakete kommen in einer Art Tortenschachtel, wie man sie in Europa verschiedentlich bekommt, wenn man Canapés zum Mitnehmen kauft. Der Inhalt besteht hauptsächlich aus Reis, manchmal mit etwas Ei, manchmal mit paar Stückchen Huhn. Die Portionen sind zünftig, ich könnte jedenfalls nicht alles auf’s Mal essen. Ich bestelle vier solche Pakete auf Halbeins. Der Mann nimmt die Bestellung entgegen und verlangt 800 Lanka Ruppies, das entspricht einem knappen Euro pro Paket, also ungefähr 3.50 Euro für alle vier Pakete. Der Tuktuk-Fahrer verspricht, die Lunchpakete zur gegebenen Zeit abzuholen und bei uns anzuliefern. Zuhause sind wieder neue Personen dazu gekommen. Die Putzfrau ist da und macht ihre Runde, für die sie gut zwei Stunden verwendet und dafür etwa fünf Euro erhält. Das ist gar nicht so schlecht. Ein guter Handwerker verlangt pro Tag, also 8 Stunden, nur etwa dreimal mehr. Plötzlich taucht der Elektriker auf und bringt uns 5 Kg Chlorin. Keine Ahnung, warum er das hat und woher er wusste, dass wir auf Chlorinentzug sind. Auch unser Schlosser schleicht um’s Haus. Er bringt Tochter und Frau mit und drückt ihr einen Pinsel in die Hand, damit sie das neue Gartentor streiche, während die Tochter den ganzen Tag herum sitzen muss. Mein Angebot, sie möge doch unseren Pool benutzen, wurde natürlich ausgeschlagen. Ein Mädchen badet doch nicht alleine vor den Augen fremder Leute!

Der Hardwarestore

Als ich alles, was ich gekauft, verteilt hatte – die Farbe für den Maler, die Besen für die Maurer, die Papaya (Gasslabu, wie wir hier der Frucht sagen) für Barbara – reparierte ich den Wasseranschluss, aber es ist eine schrecklich wackelige Sache – chinesische Qualität halt. Unterdessen bringt die Nachbarin Tee, wie sie das immer macht, wenn jemand bei uns arbeitet. Das gibt ihr etwas Abwechslung. Mittlerweile sind es fast zehn Personen, die hier herumwerkeln. Und noch immer kein Strom! Da fällt mir ein, dass ich noch nicht einmal dazu gekommen bin, meine Morgengymnastik zu machen, die eigentlich nach dem Frühstück dran wäre. Also suchte ich mit meiner Yogamatte eine halbwegs ruhige Ecke und holte meine Übungen kurz vor 12 Uhr nach. Ich werde sie um 17 Uhr herum wiederholen. Natürlich ist nicht jeder Tag wie dieser. Aber etwas ist immer!

Die Nachbarin (ganz links) hat Tee gebracht und unterhält sich mit der Frau des Schlossers

Eine Antwort auf „Ein Tag wie jeder andere“

  1. Super! Das weckt Erinnerungen…! Scheint sich seit unserer Zeit in Sri Lanka nicht viel geändert zu haben…

    Bei dieser Gelegenheit: Schöne Festtage, einen guten Rutsch: Denkt weiterhin positiv und bleibt negativ!

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